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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Befehl zu gehorchen. Die Pferde wichen trotz aller seiner Bemühungen nicht von der Stelle.
    „Es geht nicht, gnädiger Herr“, klagte er. „Der Teufel muß in die Pferde gefahren sein, oder der Kerl dort versteht zu hexen. Wenn ich Gewalt brauche, so brechen sie mir die Deichsel ab.“
    Der Graf hatte bis jetzt die Szene ruhig beobachtet. Jetzt wandte er sich nach dem hinteren Wagen, in welchem seine beiden Diener saßen:
    „Schafft den Menschen fort, daß die Pferde ihn nicht mehr sehen!“ gebot er jenen.
    Die Domestiken stiegen aus und traten drohend auf den Fremden zu. Sie geboten ihm, zu weichen, und als er nicht gehorchte, streckten sie die Hände nach ihm aus. Aber in demselben Augenblick wichen sie im höchsten Grad erschreckt zurück, denn der Fremde hatte seinen Ledersack ein wenig geöffnet und aus demselben schossen drei riesige Brillenschlangen hervor. Diese Tiere schlangen ihre Schwänze um den langen, nackten Hals ihres Herrn und fuhren mit ihren Leibern, wie um ihn zu verteidigen, mit blitzesähnlicher Schnelligkeit in der Luft herum. Die Leute hatten wohl noch nie eine Brillenschlange gesehen, aber deren Beschreibung oft gelesen; sie wußten also, daß sie es hier mit den giftigsten Reptilien der Welt zu tun hatten. Beide sprangen schleunigst zurück und wagten nicht wieder, sich dem Fremden zu nähern.
    Dieser erhob die Hand, um seine Schlangen zärtlich zu streicheln, und sagte:
    „Wer mich angreifen will, der komme! Es gehorchen mir alle Tiere des Waldes und des Feldes, auch den Rossen bin ich ein Gebieter. Die Pferde werden nicht eher diese Stelle verlassen, als bis ich es ihnen erlaube. Wem gehören diese Wagen?“
    Die Herren, welche im ersten Wagen saßen, konnten es mit ihrer Würde nicht vereinbaren, daß dieser Mann unangreifbar sei.
    Der Kutscher riß sie aus ihrer Verlegenheit.
    „Die Wagen gehören nach Ortry“, antwortete er.
    „Nach Ortry?“ wiederholte der Schlangenbändiger. „Gut; fahrt weiter!“
    Er stieß einen leisen, seltsam klingenden Pfiff aus. Sofort zogen die Pferde an und rannten im Galopp davon, so daß der Kutscher sich alle Mühe geben mußte, ihrer Herr zu bleiben. Der Fremde blickte den Dahinfahrenden nach, solange er sie zu sehen vermochte, dann wendete er sein Gesicht nach Osten. Seine Augen öffneten sich weit; seine Knie beugten sich zur Erde, seine Arme kreuzten sich über der Brust, und er rief:
    „Allah il Allah! Dein Name ist der einzige, und deine Macht ist unendlich. Sei gelobt, daß ich ihn wiedergesehen habe, den Räuber, den Mörder unseres Stammes! Sei gelobt, daß ich gefunden habe die erste Spur von Liama, der Tochter unserer Zelte. Ich gelobe bei dir und allen heiligen Kalifen, sie zu befreien, oder, wenn sie tot sein sollte, zu rächen, wie noch kein Kind der Wüste gerächt worden ist!“
    Zu den Franzosen hatte er im Dialekt des südlichen Frankreichs gesprochen, jetzt aber verrichtete er sein Gebet in arabischer Sprache. So am Boden kniend und von den Schlangen umzüngelt, bot er einen höchst fremdartigen, wilden Anblick dar.
    Jäh erhob er sich wieder von der Erde, steckt die Schlangen in den Sack zurück und setzte seinen Weg fort, ganz denselben Weg, welchen auch die Wagen verfolgt hatten. Im nächsten Dorf angekommen, kehrte er im Wirtshaus ein. Er fand nur einen alten Mann zu Hause, der ihm den bestellten Trunk reichte, die sonderbare Gestalt mit neugierigem Blick betrachtete und fragte:
    „Sie sind jedenfalls nicht im Norden Frankreichs geboren?“
    „Nein“, lautete die Antwort. „Ich ward geboren im Sonnenbrand des Südens.“
    „Was treiben Sie hier, oder womit handeln Sie?“
    „Man nennt mich Abu Hassan, den Zauberer. Ich habe die Geheimnisse der Geister studiert und mir alle Geschöpfe Untertan gemacht.“
    „Ah, ein Gaukler“, lächelte der Wirt. „Wo wollen Sie Ihre Künste zeigen?“
    „In Ortry.“
    „Oh, da werden Sie schlechte Geschäfte machen!“
    „Warum?“
    „Zu den Arbeitern, die sich wohl eine solche Kurzweil wünschen möchten, darf kein Fremder, und im Schloß gibt es Leute, welche mehr gesehen haben als die Kunststücke, welche Sie produzieren werden.“
    „Abu Hassan kann mehr als andere“, meinte der Fremde. „Wer wohnt auf dem Schloß?“
    „Der Baron de Sainte-Marie.“
    Hassan schüttelte leise den Kopf, als sei er mit dieser Antwort noch nicht zufrieden.
    „Wer noch?“
    „Sein Weib und seine zwei Kinder.“
    „Wie alt ist der Baron?“
    „Vielleicht fünfzig Jahre.“
    Hassan

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