55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
ich zu erwarten?“
Das war sehr deutlich gesprochen. Der Rittmeister, welcher von seinem Obersten jedenfalls bereits vorbereitet worden war, gab eine ebenso deutliche Antwort:
„Ich werde diese Gelegenheit, meinem Vaterland zu dienen, mit Freuden ergreifen, und gebe die Versicherung, daß ich nichts versäumen und unterlassen werde, um meinen Zweck zu erreichen.“
„Das habe ich erwartet. Ich mache allerdings die vielleicht etwas zu aufrichtige Bemerkung, daß die Zeit drängt und Sie sich also nicht viel Muße lassen dürfen. Vor allen Dingen aber frage ich Sie, ob Sie Berlin bereits kennen?“
„Ich war noch nicht dort.“
„Das ist günstig, denn Sie werden dann nicht in Gefahr kommen, erkannt zu werden. Ich reise elf Uhr von hier nach Thionville. Können Sie bis dahin Ihre Vorbereitungen zur Abreise getroffen haben?“
„Ein Soldat muß stets marschbereit sein.“
„Wohl! Sie werden mich begleiten. Ich habe in der Nähe eine geheime Inspektion vorzunehmen, nach deren Erfolg sich Ihre Instruktionen richten werden. Dies wird in höchstens zwei Tagen abgetan sein, und dann können Sie nach Berlin gehen. Ihre größte Aufmerksamkeit wird dort auf den Generalstab zu richten sein. Und da will ich Ihnen bereits jetzt eine Adresse nennen, welche Ihnen von Vorteil sein wird.“
Er nahm ein Notizbuch aus der Tasche, blätterte nach und fuhr dann fort:
„Es gibt nämlich dort einen Offizier, einen höchst gewandten und trotz seiner Jugend sehr brauchbaren Strategen, welcher sogar in seiner Privatwohnung mit wichtigen Arbeiten beschäftigt wird. Wenn es Ihnen gelänge, seine Freundschaft zu erwerben, so wäre es Ihnen vielleicht möglich, hier und da einen geheimen Blick in diese Arbeiten werfen zu können. Eine gewandt geführte Unterhaltung könnte Sie vieles erraten lassen, was jener nicht direkt sagen wird. Einige Flaschen Wein zur rechten Zeit und am rechten Ort haben oft einen außerordentlichen Erfolg. Vielleicht hat dieser Mann Verwandte, deren Vertrauen, oder eine hübsche Schwester, deren Liebe Sie erwerben können. Kurz und gut, ich will Ihnen mit diesen Andeutungen nur sagen, daß der Kluge es verstehen muß, sich alles dienstbar zu machen, und ich hoffe, daß Sie nicht auf den Kopf gefallen sind.“
„Ich wiederhole, daß ich mein möglichstes tun werde“, antwortete der Rittmeister. „Darf ich um den Namen des betreffenden Offiziers bitten?“
„Es ist der Rittmeister Richard von Königsau. Wo er seine Privatwohnung hat, kann ich nicht sagen; es wird Ihnen nicht schwer werden, sie unauffällig zu erfragen. Aber eines weiß ich, was Ihnen vielleicht von Nutzen sein wird: Er hat einen Großvater, einen Veteranen aus den sogenannten Befreiungskriegen, welcher zuerst unter dem Verräter Lützow und sodann unter Blücher gekämpft hat und in der Schlacht bei Belle-Alliance verwundet worden ist. Dieser Alte spricht noch heute mit Begeisterung von seinen Feldzügen, und Sie werden wissen, daß das Wohlwollen solcher Leute sehr leicht dadurch zu erlangen ist, daß man sie glauben läßt, von ihrer Begeisterung angesteckt zu sein. Das ist alles, was ich Ihnen für jetzt sagen kann. Nähere Instruktionen werden Sie noch erhalten. Besitzen Sie einen Anzug, wie ihn Maler zu tragen pflegen?“
„Er wird in wenigen Minuten beschafft sein.“
„Und eine Staffelei?“
Der Rittmeister konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Er antwortete:
„Eine Staffelei von hier mit nach Berlin zu nehmen wäre ebenso beschwerlich wie überflüssig. Will ich bereits unterwegs als Maler gelten, so genügt eine künstlermäßige Kleidung und eine Mappe. Eine Staffelei werde ich mir in Berlin kaufen.“
„Das müssen Sie verstehen. Jetzt treffen Sie schleunigst Ihre Vorbereitungen, denn ich erwarte bestimmt, Sie Punkt elf Uhr hier wiederzusehen. Adieu!“
Er erhob sich und gab dem Offizier mit jener kalten Nachlässigkeit die Hand, mit welcher man sagen will: „Ich lasse mich zwar herab, dir die Hand zu reichen, aber bilde dir um Gottes willen nichts darauf ein; denn wenn du fort bist, werde ich mir diese Hand sehr sorgfältig abwaschen, damit jede Spur von dieser ordinären Berührung vertilgt werde!“ Der Rittmeister nahm die Hand wie einer, dem eine hohe Gnade erwiesen wird, und entfernte sich nach einer Verbeugung, welche er einem regierenden Fürsten nicht untertäniger hätte machen können. Er wußte, daß der Liebling des Kaisers mehr Einfluß besaß, als mancher Minister, der sich die Miene gab,
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