55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Maler kommen und erhob sich höflich. Als aber der Franzose näher trat, nahm das Gesicht des Deutschen den Ausdruck des allerhöchsten Erstaunens an. Was war denn das? War das ein einfaches, natürliches Spiel des Zufalls? Dieser Künstler sah dem Diener Fritz zum Verwechseln ähnlich. Hätte der Fremde die Kleidung des Pflanzensammlern angehabt, so wäre die Täuschung vollständig gewesen.
Lemarch sah diese Verwunderung und sagte:
„Sie scheinen unangenehm berührt zu sein, daß ich Sie störe? Wen habe ich die Ehre, um Entschuldigung zu bitten, Monsieur?“
„Ich bin der Erzieher des jungen Barons“, antwortete Müller, jetzt wieder gefaßt.
„Und ich bin Maler, mit dem Grafen Rallion hier angekommen. Ich gedachte, von dieser Bank aus das Schloß zu zeichnen, aber ich störe Sie.“
„Nehmen Sie Platz!“ antwortete Müller höflich. „Mein Name ist Müller.“
Er sagte dies, um zu erfahren, wie er den Maler zu nennen habe. Dieser hatte während der Bahnfahrt im Coupé von dem Grafen erfahren, daß seine deutsche Legitimation auf den Namen Haller ausgestellt sei; darum antwortete er:
„Und der meinige Haller. Ich bin ein Deutscher, und Sie auch, wie ich zu meiner Freude aus Ihrem Namen schließe.“
„Allerdings. Meine Heimat ist Leipzig.“
„Die meinige Stuttgart.“
Beide täuschten einander. Sie waren gezwungen, die Orte zu nennen, welche auf ihren Legitimationen angegeben waren. Der Franzose war ein liebenswürdiger Gesellschafter, und Müller fühlte sich bereits nach kurzer Unterhaltung recht sympathisch von ihm berührt, bis die Unterhaltung auf Berlin kam – zufällig, dachte Müller; er hatte nicht bemerkt, daß Haller sie mit Absicht auf Berlin geleitet hatte.
„Waren Sie bereits einmal in der Hauptstadt Preußens?“ fragte der letztere.
„Öfters“, antwortete Müller.
„Das läßt sich denken, da sie von Ihrer Vaterstadt aus ja sehr leicht zu erreichen ist. Sind Sie in Berlin einigermaßen bekannt?“
„So ziemlich.“
„Auch in Militärkreisen?“
„Leidlich. Ich hatte als Erzieher Gelegenheit, zahlreiche Offiziere kennenzulernen.“
„Ah, so sagen Sie mir, ob Ihnen der Name Königsau bekannt ist?“
Fast hätte Müller durch eine rasche Bewegung sein Erstaunen verraten. Er beherrschte sich jedoch und antwortete mit nachdenklicher Miene:
„Königsau? Hm! Den Namen müßte ich kennen! Ah, jetzt besinne ich mich! Ein alter Hauptmann aus Blüchers Zeit führt diesen Namen.“
„Richtig, richtig!“ meinte Haller mit französischer Lebhaftigkeit. „Hat dieser Veteran einen Sohn?“
„Jetzt nicht mehr, aber einen Enkel, wenn ich mich nicht irre.“
„Jawohl, ein Enkel war es! Ist dieser nicht Rittmeister bei den Ulanen?“
„Soviel ich weiß, ja.“
„Man sagt, daß dieser ein ausgezeichneter Offizier sei, der von seiten des großen Generalstabes mit wichtigen Arbeiten beschäftigt werde.“
„Möglich. Ich als Erzieher habe natürlich kein Urteil darüber.“
„Kennen Sie die Verhältnisse des Königsau vielleicht näher?“
„Es mag wohl sein, daß ich früher von ihm gehört habe, doch ist es leicht zu entschuldigen, wenn mir jetzt nichts mehr erinnerlich ist. Sie haben Veranlassung, sich nach ihm zu erkundigen?“
„Ja.“
„Wenn ich wüßte, welche Intention Sie dabei leitet, käme dies vielleicht meinem Gedächtnisse zu Hilfe, so daß ich Ihnen Auskunft zu geben vermöchte, Herr Haller.“
„Nun, ich beabsichtige, baldigst nach Berlin zu gehen. Dort werde ich Gelegenheit nehmen, die Bekanntschaft des Rittmeisters zu machen. Sie begreifen, daß es mir sehr angenehm sein würde, bereits jetzt etwas über ihn zu hören.“
„Ah, Sie haben also Grunde, die Bekanntschaft gerade dieses Mannes zu machen?“
„Allerdings. Er ist mir sehr warm empfohlen.“
„Darf ich fragen, von wem?“
„Vom Grafen Rallion“, fuhr es dem Franzosen heraus. Er ahnte aber sofort, daß er jetzt eine Dummheit begangen habe, und fügte, um seine Worte begreiflicher zu machen, hinzu: „Der Graf hat nämlich in Berlin früher seine Bekanntschaft gemacht.“
Damit aber hatte der Franzose den Karren noch tiefer hineingeschoben. Müller erinnerte sich jetzt der militärisch straffen Haltung, mit welcher der Maler in den Garten getreten war, er sah den wohlgepflegten Schnurrbart, die kurz verschnittenen Haare und war nun mit sich über den Maler vollständig im reinen. Darum meinte er mit einem leichten Lächeln:
„Soviel ich mich entsinne, ist Rittmeister
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