55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
der Menge der Anwesenden standen diese dicht gedrängt. Diejenigen von ihnen, deren Kleider in Brand geraten waren, brüllten vor Angst und Schmerz; die anderen suchten, aus ihrer Nähe zu kommen, um nicht auch von den Flammen ergriffen zu werden. Man drängte nach der Tür und der Kapitän sah ein, daß Mord und Totschlag entstehen werde, wenn er die Versammlung zwinge, hier zu bleiben. Er rief also dem Posten zu:
„Öffnet den Eingang, rasch, rasch! Der Verräter mag lieber entkommen!“
Die Tür wurde aufgeschlossen, und nun entstand dort ein fürchterliches Gebalge, da ein jeder der erste sein wollte, welcher der Gefahr entrann. Nur einige wenige Besonnene drängten sich zu den Brennenden, um ihnen beizustehen und womöglich die Flammen zu löschen.
Fritz hatte zunächst die Absicht gehabt, sich, sobald die Leuchter stürzten, nach der Tür zu retirieren, durch welche der Alte eingetreten war; er wußte zwar nicht, wohin sie führte, aber sie gewährte wenigstens die Hoffnung auf irgendeinen Rettungsweg; natürlich gab er diese Absicht sofort auf, als er den Befehl des Alten hörte, die Tür zu öffnen. Nun war ja alles gut; nun war ja jede Gefahr vorüber. Er schloß sich also denen an, welche die Kraft ihrer Ellenbogen in Anwendung brachten, um rasch aus dem Saal zu kommen.
Der Kapitän hatte kaum den soeben erwähnten Befehl gegeben, so erhob sich der eine seiner Begleiter und sagte im Ton des Vorwurfes:
„Aber den Verräter sollten Sie auf keinen Fall entkommen lassen!“
Es war die Stimme des alten Grafen Rallion, welcher heute mit Lemarch nach Ortry gekommen war. Der dritte war des ersteren Sohn, der Oberst. Die grauen Schnurrbartspitzen des Kapitäns zogen sich in die Höhe, so daß man sein gelbes Gebiß sehen konnte.
„Keine Sorge!“ antwortete er. „Folgen Sie mir rasch, meine Herren!“
Er sprang, von den anderen beiden gefolgt, zu der hinteren Tür hinaus, die hinter ihnen verschlossen wurde. Jenseits derselben lief ein Gang weiter, aber es führte auch eine schmale Treppe empor. In einer Nische stand eine Lampe. Der Kapitän ergriff sie und eilte die Treppe hinauf. Sie führte zu einer Steinplatte, welche der Alte zur Seite schob. Beim Schein des Lichts sahen die beiden Rallions, daß sie sich in einem öden Gemach befanden, welches drei Fenster hatte, die aber ohne Glas und Rahmen waren. Der Kapitän blies die Lampe aus und sagte:
„Rasch durch das Fenster hinaus in den Hof und nach dem Tor! Wir kommen eher als die anderen. Ich habe ein besonderes Paßwort für den Ausgang; es heißt ‚Buonaparte‘. Jeder, welcher fort will, muß es sagen. Der es nicht weiß, ist der Eindringling. Damit es schneller geht, helfen Sie mir beide!“
Ein Sprung durch das nicht sehr hoch liegende Fenster brachte sie auf den Hof, und eben als die ersten der Verschworenen aus dem Turm traten, hatten die drei das Tor erreicht, wo sie sofort Posten bezogen.
„Halt!“ rief der Alte den herbeiströmenden Männern entgegen. „Ein jeder hat das Ausgangswort einem von uns dreien zu sagen, aber so leise, daß es der Spion nicht hören kann. So fangen wir ihn doch! Vorwärts!“
Fritz befand sich unter den Vordersten. Wäre er jetzt umgekehrt, so hätte er Verdacht erweckt; man hätte ihn sicher sogleich ergriffen. Er griff in die Tasche, zog sein Messer und ließ sich von den hinter ihm Stehenden ganz willig vorwärts schieben. Bereits hatten mehrere das Paßwort gesagt und gehen dürfen, da kam er vor den alten Rallion zu stehen. Er wollte sich an diesem vorüberdrängen, aber der Graf faßte ihn.
„Halt, Mann, das Wort!“ gebot er.
Fritz beugte sich an des Fragenden Ohr, als ob er es ihm zuflüstern wolle, versuchte aber dabei, sich durch einen plötzlichen Ruck loszureißen. Der Graf jedoch hatte Verdacht gefaßt, hielt ihn bei der Bluse fest und rief:
„Das ist er. Haltet ihn – haltet ihn!“
Sein Sohn, der Oberst, streckte sofort beide Hände nach Fritz aus, ließ sie aber mit einem lauten Aufschrei sinken, denn das Messer des Deutschen war ihm quer über das Gesicht gefahren. Ein Stich in die Hand des Grafen zwang auch diesen, die Bluse fahren zu lassen, und somit war Fritz frei. Obgleich sich die Hände aller nach ihm ausstreckten, gelang es doch keinem, ihn wieder zu fassen. Er sprang davon und in den Wald hinein.
„Ihm nach!“ kommandierte der alte Kapitän.
Jetzt war vom Paßwort keine Rede mehr, denn alle stürmten durch das Tor dem Flüchtigen nach. Dieser aber hatte nicht die
Weitere Kostenlose Bücher