55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
der hiesigen Gegend, sondern den des südlichen Frankreichs. Soweit Müller bei der herrschenden Dunkelheit erkennen konnte, trug jener weite Hosen, welche bis an die Knie reichten, eine Jacke, einen Gürtel und auf dem Kopfe einen Fez; er ging also ganz ähnlich wie die Zuaven gekleidet.
„Sind Sie vielleicht Militär?“ fragte Müller.
„In meiner Heimat trägt jeder Mann die Waffe“, antwortete der Fremde.
„Also Zuave oder Türke, nicht wahr?“
„Nein. Aber kommen Sie!“
Müller hielt es für geraten, mit dem geheimnisvollen Mann zu gehen. Wer war es? Was wollte er? Hing seine Anwesenheit mit den Heimlichkeiten dieses Schlosses zusammen? Fast schien es so. Vielleicht konnte man von ihm etwas erfahren.
Der Fremde schritt gerade vom Schloß ab, hinaus nach den Feldern. Dort angekommen, hielt er an einem Rain inne, setzte sich ohne Umstände nieder und sagte:
„Setzen Sie sich; es redet sich so besser!“
Müller folgte dieser Weisung und wartete gespannt auf das, was er hören werde.
„Wer sind Sie?“ fragte der Fremde.
„Warum fragen Sie?“ entgegnete Müller.
„Weil ich wissen muß, wer Sie sind.“
„Vielleicht erfahren Sie es, vielleicht auch nicht. Wer sind denn Sie?“
„Sie erfahren das auch vielleicht. Doch da Sie mir nicht sagen wollen, wer Sie sind, so werden Sie mir wohl sagen, was Sie sind.“
„Unter Umständen werden Sie dies auch erfahren.“
„Ich weiß es bereits.“
„Ah! Nun?“
„Sie sind einer, der in die Fenster anderer Leute steigt, um sich zu holen, was ihm gefällt.“
Ah, dieser Mann hielt den Deutschen für einen Spitzbuben, für einen Einbrecher, weil er gesehen hatte, daß er am Blitzableiter heruntergekommen war, das gab Müller Spaß, und er beschloß, ihn bei diesem Glauben zu lassen.
„Haben Sie etwas dagegen?“ fragte er dann.
„Nein“, antwortete der Fremde. „Sie scheinen ein kühner Mann zu sein.“
„Das bringt mein Handwerk mit sich“, lachte der Deutsche.
„Ich liebe den Mut und die Entschlossenheit. Wissen Sie, daß ich Ihnen sehr schaden kann?“
„Hm! Wieso?“
„Ich könnte Sie festnehmen!“
„Alle Teufel!“
„Und den Diebstahl anzeigen.“
„Sie machen mir Angst.“
„Haben Sie keine Sorge; ich werde es nicht tun, wenn ich sehe, daß Sie dankbar sind!“
Diese Worte wurden in einem Ton gesprochen, welcher Zutrauen erwecken sollte. Müller ging darauf ein und antwortete:
„Wenn Sie schweigen wollen, so dürfen Sie auf mich rechnen.“
„Gut; ich hoffe, daß Sie Verstand haben. Wohnen Sie hier in der Nähe?“
„Ja.“
„Wo?“
„In Ortry.“
„In Ortry selbst? Das ist gut! So kennen Sie auch alle Leute, welche auf dem Schloß wohnen?“
„So ziemlich.“
„Kennen sie auch die Umgegend des Schlosses und eine Ruine, welche man den alten Turm nennt?“
„Ja.“
„So ist alles gut. Sie sind ein Mann, der nicht wählerisch in dem ist, was er tut, wenn es nur etwas einbringt. Wollen Sie sich ein schönes Stück Geld verdienen?“
Müller mußte sich Mühe geben, ein herzliches Lachen zu unterdrücken. Er antwortete:
„Sehr gern. Geld braucht man immer, zumal unsereiner.“
„Nun, ich biete Ihnen für die Arbeit von drei Stunden hundert Franken.“
„Alle Wetter, das wäre ja ganz leidlich bezahlt!“
„Das denke ich auch. Und dennoch biete ich Ihnen noch hundert Franken mehr, wenn Sie noch einen Mann besorgen, auf den man sich verlassen kann.“
„Vielleicht ist es möglich. Nur muß ich wissen, um was es sich handelt.“
„Das sollen Sie hören. Ich wünsche, ein Grab geöffnet zu sehen!“
„Ein Grab?“ fragte der Deutsche, jetzt in Wahrheit überrascht. „Auf dem Kirchhof?“
„Das werden Sie noch erfahren. Vorher muß ich wissen, ob Sie mir dienen wollen und noch einen zweiten Mann mitbringen können.“
„Ja“, antwortete Müller langsam; „was mich betrifft, so fürchte ich mich ganz und gar nicht, ein Grab zu öffnen, und ich wüßte wohl auch einen, der für hundert Franken bereit wäre, das Abenteuer mitzumachen. Ehe ich aber einen festen Entschluß fasse, muß ich natürlich wissen, um welches Grab es sich handelt.“
Er vermutete, es gelte die Öffnung irgendeines Erbbegräbnisses, um die Leiche zu berauben. Ein solcher Vorschlag war sehr leicht möglich, da der Fremde ihn ja für einen Einbrecher hielt. Dieser aber antwortete:
„Wir sprachen von dem alten Turme. Sind Sie einmal dort gewesen?“
„Das versteht sich; ja.“
„Haben Sie bemerkt, daß ein
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