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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Grab ganz in seiner Nähe liegt?“
    „Ja. Es wird, glaube ich, das Heidengrab genannt.“
    „So ist es. Wissen Sie auch, wer dort begraben liegt?“
    „Gewiß. Die erste Gemahlin des Barons de Sainte-Marie.“
    „Nun gut, dieses Grab wollen wir öffnen.“
    Müller fuhr erstaunt empor. Das hatte er nicht erwartet. Er fragte schnell:
    „Ah, Sie denken, man habe der Baronin Geschmeide oder so etwas mit in die Erde gegeben?“
    „Nein. Ich habe eine Absicht auf die Baronin selbst.“
    „Was soll das heißen?“
    Der Fremde schwieg eine Weile und antwortete dann:
    „Ich will die Gebeine der Baronin haben und werde sie mit mir fortnehmen.“
    Das war erstaunlich! Wer war dieser Mann? In welchem Verhältnisse stand er zu der Toten, daß er danach trachtete, ihre Überreste zu besitzen? Das Zusammentreffen mit ihm konnte für Müller von außerordentlicher Bedeutung sein. Darum beschloß er, sich ihm willfährig zu zeigen, und antwortete:
    „Sie zahlen also zweihundert Franken, wenn ich mich dieser Arbeit unterziehen und noch einen Gehilfen mitbringen werde?“
    „Ja. Sobald das Grab geöffnet ist, erhalten Sie das Geld. Wollen Sie?“
    Müller reichte ihm die Hand und sagte:
    „Ja, ich will.“
    „Kann ich mich auf Sie verlassen?“
    „Vollständig. Und auf den anderen ebenso, wie auf mich selbst. Zwei verschwiegenere Leute können Sie nicht finden.“
    „Nun gut. Wann paßt es Ihnen? Morgen abend wäre mir die liebste Zeit.“
    „Mir auch.“
    „So kommen Sie eine Stunde vor Mitternacht mit Ihrem Kameraden an das Grab. Ich werde da sein und auf Sie warten. Heben Sie die Rechte empor und schwören Sie, daß Sie mich nicht verraten wollen.“
    Es war Müller, als ob er vor einem wichtigen Ereignis stehe. Er war vollständig entschlossen, den Auftrag zu übernehmen. Er selbst hatte ja bereits den Entschluß gefaßt, das Grab zu öffnen, um zu sehen, ob es leer sei oder wirklich eine Leiche enthalte; darum ging er mit vollem Ernst auf das Gebot des Fremden ein. Er erhob die Hand und schwor:
    „Ich schwöre Ihnen in meinem Namen und im Namen meines Kameraden, daß wir Sie nicht verraten, sondern Ihnen redlich beistehen werden, Ihre Absicht zu erreichen.“
    „Allah akbar! Das ist nicht der Ton eines Spitzbuben und Einbrechers!“ sagte der Fremde. „Ich gewinne Vertrauen zu Ihnen, und will Ihnen nun auch sagen, wer ich bin. Ich bin Abu Hassan, der Zauberer, Direktor einer Künstlerbande, welche morgen in Thionville eine große Vorstellung geben wird.“
    „Und warum wollen Sie die Gebeine der verstorbenen Baronin besitzen?“
    „Das werde ich Ihnen vielleicht sagen, nachdem ich Sie als treu und verschwiegen erkannt habe. Doch sagen Sie mir auch Ihren Namen und den Ihres Gefährten!“
    „Diese beiden Namen werden Sie dann erfahren, wenn auch ich erkannt habe, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Sie mögen aus dieser Vorsicht ersehen, daß Sie es nicht mit leichtsinnigen Menschen zu tun haben, sondern sich auf uns verlassen können.“
    Abu Hassan nickte mit dem Kopf.
    „Vielleicht handeln Sie richtig, vielleicht auch nicht“, sagte er; „aber dennoch werde ich zur bestimmten Zeit am Grab sein. Sollten Sie nicht eintreffen oder mich gar verraten, so haben Sie im letzeren Fall eine schwere Sünde auf Ihrem Gewissen und Allah wird Sie strafen.“
    „Hier nochmals meine Hand darauf, daß ich Sie nicht täusche. Wer aber soll das Handwerkszeug besorgen? Sie oder ich?“
    „Sie. Ich werde nur den Kasten mitbringen, welcher die Gebeine aufnehmen soll, und gebe Ihnen außerdem zu bedenken, daß ich kein Christ, sondern Moslem bin, der sich verunreinigt, wenn er die Überreste eines Toten anrührt. Ich werde mit graben helfen, aber die Gebeine haben Sie in den Kasten zu tun.“
    Der Zauberer griff in seine Tasche und zog einen Beutel hervor.
    „Hier gebe ich Ihnen hundert Franken“, sagte er. „Das andere werden Sie erhalten, sobald wir morgen fertig sind.“
    Müller schob die mit dem Geld ausgestreckte Hand zurück und entgegnete:
    „Behalten Sie für heute die hundert Franken. Ich pflege erst dann den Lohn anzunehmen, wenn ich die Arbeit vollendet habe.“
    „Allah il Allah! Sie sind ein ehrlicher Mann, obgleich Sie ein Christ und ein Spitzbube sind. Erst jetzt bin ich überzeugt, daß Sie mich nicht betrügen werden! Gute Nacht!“
    „Gute Nacht!“
    Der Fremde ging, und Müller blieb zurück, ganz eingenommen von dem Ereignis, welches sich so unerwartet abgespielt hatte. Wer hätte das denken

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