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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erstaunte.
    „Das ist schnell genug gegangen“, lächelte er. „Ich habe aber auch niemals eine Arbeit mit solcher Lust gefertigt, wie diese hier. Ich hoffe, sie wird ganz den Eindruck machen, für welchen sie berechnet und geschrieben ist.“
    Er legte das Manuskript beiseite. Es enthielt die Unterschrift: ‚Unwiderleglicher Beweis, daß vor Verlauf eines Dezenniums kein Krieg mit Frankreich zu befürchten steht. Auf Veranlassung des großen Generalstabes geliefert von Rittmeister Richard von Königsau‘.
    Nun endlich griff er zum letzten Mal zur Feder. Er schrieb folgenden Brief:
    „Meine gute Bertha!
    Ihr werdet schon längst eine Nachricht von mir erwartet haben und sollt sie auch nächster Tage erhalten, ausführlich, wie ihr es ja von mir gewohnt seid. Jetzt aber habe ich zu solcher Vollständigkeit noch nicht die hinreichende Zeit, ja, ich fand noch nicht einmal die Muße, an die Mutter und an den Großvater zu schreiben.
    Diese Zeilen gelten Dir, weil mich die höchste Notwendigkeit drängt, Dir für einen als gewiß zu erwartenden Fall die nötigen Instruktionen zu erteilen. Ein französischer Rittmeister, namens Bernard Lemarch, kommt nämlich als ein Landschaftsmaler Haller nach Berlin, um sich um meine Freundschaft zu bewerben und mich über die Anschauungen unserer Diplomaten und Strategen auszuhorchen. Ich bin überzeugt, daß Frankreich bereits in wenigen Wochen den Krieg erklären wird, und ebenso sicher weiß ich, daß wir imstande sind, den so leichtsinnig hingeworfenen Fehdehandschuh ohne Befürchtung aufzuheben. Aber es handelt sich darum, den geheimen Emissär zu täuschen, geradeso, wie er uns zu betrügen trachtet. Daher übersende ich Dir das beifolgende Manuskript.
    Haller, alias Lemarch, beabsichtigt nämlich, sobald seine Bemühungen bei mir erfolglos sein sollten, Deine Zuneigung zu gewinnen, um soviel wie möglich von derselben zu profitieren. Du wirst ihm sagen müssen, daß ich mich in Litauen auf Besuch bei einem alten Verwandten befinde. Infolgedessen wird er sich bei Dir nach meiner Tätigkeit, nach meinen Arbeiten erkundigen, und Du wirst Dir da die Erlaubnis abschmeicheln lassen, das beiliegende Manuskript lesen zu dürfen. Alles übrige überlasse ich Deiner mir so wohlbekannten weiblichen Klugheit, zu der ich alles Vertrauen besitze, und bitte Dich, mich über den Erfolg sofort brieflich zu belehren. Ich stehe mit ähnlichen Arbeiten natürlich umgehend zur Verfügung und ersuche Dich, Deinen Brief an meinen Fritz zu adressieren, nämlich ‚Friedrich Schneeberg, Herboriseur (Kräutersammler) in Kondition bei Herrn Doktor Bertrand in Thionville‘. Er wird ihn mir richtig zuspielen. Hier darf ich es nicht wagen, Briefe aus Berlin zu empfangen.
    Indem ich Dich ersuche, Mama und Großpapa von mir herzlichst zu grüßen, verspreche ich ihnen nochmals einen baldigen, langen Brief, umarme Dich, liebe Schwester, und sende Dir den innigsten, brüderlichsten Kuß von Deinem
    herzenskranken Richard.
    NB. Ich habe meine Dresden–Blasewitzer Dame unerwartet gefunden.“
    Müller las die geschriebenen Zeilen noch einmal durch und verschloß sie dann nebst dem Manuskript in ein geräumiges Kuvert. Als er sich schlafen legte, war die Nacht bereits vorüber, und der Morgen brach herein. Deshalb legte der Fleißige sich nicht in das Bett, sondern auf das Sofa, um beizeiten wieder aufzuwachen.
    Seine Verkleidung hatte er natürlich abgelegt, bevor er das Licht anbrannte, da er keinen Augenblick sicher war, von dem alten Kapitän durch die Glastafel belauscht zu werden. Doch hatte er bereits im stillen beschlossen, demselben dieses Beobachten gehörig zu verleiden.
    Er mochte kaum ein Stündchen geschlafen haben, als ihn der Schall von Hufschlägen weckte. Er erhob sich und trat an das Fenster. Es war ein Wagen angespannt worden, und soeben stieg der Maler ein, um sich nach dem Bahnhof von Thionville fahren zu lassen. Sein hübsches Gesicht hatte einen sehr unternehmenden, hoffnungsvollen Ausdruck. Er gedachte wohl, mit großen Erfolgen heimzukehren; aber der da oben, von ihm unbemerkt, am Fenster stand, kannte diese Erfolge bereits ganz genau. Er konnte sich auf die geistreiche Schwester verlassen, von der er wußte, daß sie den Franzmann so bedienen werde, wie es der Bruder von ihr erwartete.
    Müller nahm wieder auf dem Sofa Platz und schlief zum zweiten Mal ein. Er erwachte wieder vom Schall einer überlauten, kreischenden Musik und warf den ersten Blick auf seine Uhr, es wahr

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