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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wahrhaftig bereits neun Uhr! Dann sah er durch das Fenster hinunter in den Schloßhof. Dort standen sechs phantastisch gekleidete Musikanten, welche sich bemühten, mit zwei Klarinetten, einem Horn, einer Oboe, einer Posaune und einer Trommel irgendeine Art von Marsch zum Gehör zu bringen. In der Nähe hielten auf Pferden vier theatralisch aufgeputzte Personen, drei Männer und ein Frauenzimmer. Als der Marsch beendet war, erhob der Trommler seine Stimme und verkündete, daß heute nachmittag um zwei Uhr Thionville nebst Umgegend das ungeahnte Glück haben werde, die weltberühmte Künstlertruppe anzustaunen.
    Die Leistungen wurden unter der pompösesten Titulatur aufgezählt, und da in dieser Gegend sich nur höchst selten einmal eine solche Gesellschaft sehen ließ, so war es kein Wunder, daß sämtliche Schloßbediensteten zusammenliefen und auch die Herrschaften an das Fenster traten, um die Künstlervagabunden in Augenschein zu nehmen.
    Ganz in der Nähe der wunderlich aufgeputzten Reiter stand Alexander. Er hatte seine Freude an den Leuten und fragte, als der Tambour geendet hatte:
    „Was kostet das Billet?“
    „Numerierte vordere Reihe fünf Franken, hintere Reihe vier Franken, erster Platz drei Franken, zweiter zwei, dritter einen Franken und Stehplatz außerhalb der Barriere einen halben Franken“, antwortete der Mann geläufig. „Wollen Sie einige Billets, gnädiger Herr? Wenn Sie jetzt abonnieren, erhalten Sie die besten Plätze von Nummer eins an!“
    Er hatte mit geübtem Auge erkannt, daß der Frager der Sohn der Herrschaft sei, und so einem Lieblingssöhnchen vermögen die Eltern nicht zu widerstehen.
    „Fünf Billets vordere Reihe!“ befahl Alexander.
    Er hatte gar nicht darauf geachtet, daß die Baronin oben das Fenster öffnete und ihm winkte. Er zog seine Börse, welche trotz seiner Jugend stets wohlgefüllt war, und bezahlte fünfundzwanzig Franken. Die Künstler zogen befriedigt ab.
    Nach kurzer Zeit klopfte es an Müllers Tür, und Alexander trat heran. Sein Gesicht war sehr gerötet, ob vor Freude, oder wegen eines anderen Seeleneffekts oder irgendeiner Anstrengung, das ließ sich nicht bestimmen.
    „Haben Sie sie gesehen, Monsieur Müller?“ fragte er.
    „Wen? Die Künstler?“
    „Ja, natürlich!“
    „Ich habe sie allerdings gesehen“, antwortete lächelnd der Deutsche, als er die vor Freude blitzenden Augen des Knaben sah.
    „Ich habe fünf Billets genommen. Hier ist eins. Sie fahren natürlich mit, Monsieur.“
    „Ah! Ich? Wer fährt noch mit?“
    „Zunächst Mama –“
    „Nicht möglich!“ entfuhr es Müller.
    „Warum nicht möglich? Sie zürnte mir; aber was ich will, das will Mama schließlich doch immer auch“, meinte Alexander in stolzem Ton.
    „So sind noch zwei Billets übrig.“
    „Sie sind bereits verschenkt. Marion und Mademoiselle Nanon fahren mit.“
    „Diese beiden?“ fragte Müller erstaunt. „Waren sie sofort einverstanden?“
    „Oh, eigentlich nicht. Marion meinte, es schickt sich nicht so recht für uns, diese Art von Schaustellung zu besuchen; aber als Dank für die beiden Buketts vom Heidengrab wolle sie mir ihre Zusage geben. Ist dies nicht sehr lieb von ihr? Mademoiselle Nanon war somit gezwungen, sich ohne allen Widerspruch anzuschließen.“
    „Und wenn nun ich widerspreche?“ lächelte Müller.
    „Oh, Sie widersprechen nicht“, behauptete Alexander; „das sehe ich Ihrem guten Gesicht ja sofort an. Nicht wahr, ich habe richtig geraten?“
    „Ja, ich werde Ihnen die Freude nicht verderben, mein lieber Alexander.“
    „Ich danke Ihnen! Und wissen Sie, was Mama Ihnen sagen läßt?“
    „Nun?“
    „Sie sollen mit ihr und mit mir in einem Wagen Platz nehmen; im anderen fahren Marion und Nanon. Ist das nicht allerliebst von der Mama? Aber ich muß fort, denn bei einer solchen Veranlassung sind tausend Vorbereitungen zu treffen.“
    Er eilte fort. Müller war es gar nicht unlieb, diesen Abu Hassan in seinen Kunstleistungen kennenzulernen; aber fast verdutzt machte ihn die Einladung der Baronin, mit in ihrem Wagen Platz zu nehmen. Welchen Grund hatte sie dazu? War es die Anerkennung für die Liebe, welche er Alexander eingeflößt hatte?
    Er schritt nachdenklich im Zimmer auf und ab, trat an den Spiegel, um sich zu betrachten, und fand, daß seine künstliche Hautfarbe an Tiefe verloren hatte. Er nahm ein Fläschchen, welches Nußschalenextrakt enthielt, tauchte den Pinsel hinein und bestrich sein Gesicht, Hals und Hände von neuem mit

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