55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Legitimationen, welche Ihnen von Nutzen sein werden. Sie wissen: Wie die Arbeit, so der Lohn. Ich hoffe, daß Sie sich Ansprüche auf eine bedeutende Anerkennung erwerben werden, und bin überzeugt, daß sie, von Eifer getrieben, Ortry bereits verlassen haben werden, wenn ich erwache. Darum werden wir uns bereits jetzt verabschieden, mein lieber Lemarch.“
Er reichte demselben die Hand und entfernte sich, nachdem der Rittmeister noch einige Worte gesagt hatte, um zu versichern, daß er alle seine Kräfte anstrengen werde, um seine Aufgabe einer glücklichen Lösung zuzuführen.
Jetzt las Lemarch die Legitimationen durch, warf einen Blick auf die Adressen der Briefe und ging noch einige Minuten im Zimmer auf und ab. Dann hörte Müller ihn die Worte sagen:
„Jetzt aber endlich zur Ruhe. Es ist spät, und ich muß früh erwachen.“
Er schob Briefe und Legitimationen auf dem Tisch zusammen, entkleidete sich und legte sich zu Bett, nachdem er seine Lampe ausgelöscht hatte.
„Also deshalb fragte er mich nach mir!“ dachte Müller. „Diese Herren scheinen zu wissen, daß ich Vertrauen genieße. Dieser Lemarch soll sich an mich schmeicheln und mich zur Verräterei verführen. Bedanke mich, Monsieur! Werde Ihnen den Weg noch besser ebnen, als die vier Briefe es tun werden!“
Er wartete, bis ein ruhiges, schnarchendes Atmen ihm die Überzeugung gab, daß der Franzose fest eingeschlafen sei. Jetzt schob er die Täfelung weiter auf, so daß er eintreten konnte. Er schlich zum Tisch hin, nahm sämtliche Papiere an sich und kehrte in den Gang zurück. Nachdem er die geheime Tür wieder verschlossen hatte, zog er sein Notizbuch und die Laterne hervor und kopierte sämtliche Papiere, die Adressen der Briefe und auch eine Reiseroute, welche sich dabei befand.
Es kam ihm der Gedanke, die Briefe mit in sein Zimmer zu nehmen, um sie zu öffnen, zu kopieren und wieder zu verschließen. Er traute sich die hierzu notwendige Geschicklichkeit wohl zu, aber seine Gefühle sträubten sich dagegen, als Offizier und Edelmann sich einer Entheiligung des Briefgeheimnisses schuldig zu machen. Er kehrte also, nachdem er den Eingang wieder geöffnet, in das Zimmer zurück, legte alles an den früheren Ort zurück und entfernte sich.
Nachdem er die Täfelung geschlossen hatte, stieg er die Treppe hinab und kehrte durch den Gang nach dem Parkhäuschen zurück. Er war mit den Erfolgen des heutigen Abends vollständig zufrieden. Sie gaben ihm Gelegenheit, sich in der Heimat auszuzeichnen und auch seine hiesigen, persönlichen Angelegenheit vorteilhaft zu verfolgen.
Als er das Schloß erreicht hatte und am Blitzableiter emporkletterte, bemerkte er im Zimmer des Alten noch Licht. Er warf einen Blick durch das Fenster und fuhr erschrocken zurück, denn gerade da, hart am Fenster, stand der Kapitän, mit dem Rücken nach ihm gekehrt. Er hatte ein geheimes Fach seines Schreibtisches geöffnet und hielt ein Paket Banknoten in der Hand, deren Nummern er zu mustern schien.
Müller konnte ihm über die Schulter blicken und sah, daß alle diese Noten gezeichnet waren. Er erkannte sehr deutlich die Anfangsbuchstaben der Namen; er prägte sich auch einige der Nummern ein. Es war kein Zweifel, er sah hier die Banknoten, welche der Alte dem Fabrikdirektor abgenommen hatte.
Er beobachtete nun mit größter Spannung jede Bewegung des Kapitäns und sah deutlich, daß dieser die Noten in das geheime Fach zurücklegte und dieses letztere mit einer verborgenen Feder schloß. Er beobachtete alles so genau, daß er überzeugt war, dieses Fach leicht auffinden und öffnen zu können. Dann kletterte er zum Dach empor.
Er sagte sich allerdings, daß es sehr leicht möglich sei, daß er noch eine weitere, für ihn nützlichere Entdeckung machen könnte, wenn er den Alten länger beobachtete; aber wie leicht konnte dieser das Fenster öffnen und heraussehen, und das wäre ja doch das Schlimmste, das Gefährlichste gewesen, was passieren konnte.
In seinem Zimmer angekommen, schrieb Müller zunächst die Banknotennummern auf, welche er sich gemerkt hatte; dann nahm er sein Notizbuch hervor und verfaßte einige Briefe. Als er diese versiegelt hatte, setzte er sich breit vor einige große, leere Bogen hin mit der Miene eines Mannes, der an eine sehr wichtige Arbeit geht. Seine Feder flog über das Papier, die Bogen füllten sich, neue kamen hinzu, und als er geendet hatte, waren so viele Seiten beschrieben, daß er selbst über die bedeutende Zahl derselben
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