55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
können! Er, der deutsche Edelmann und Offizier, hatte sich von einem herumziehenden Gaukler als Leichenräuber engagieren lassen! Das war ebenso undenkbar, wie es einfach gekommen war.
Natürlich rechnete er in dieser abenteuerlichen Angelegenheit auf die Hilfe seines Dieners, den er jedenfalls bereits morgen am Vormittag benachrichtigen mußte, denn Fritz allein konnte die Vorbereitungen treffen und das notwendige Werkzeug besorgen, ohne Aufsehen und Verdacht zu erregen.
Nun schritt Müller nach dem Park zurück.
Er mußte sich nach dem Häuschen begeben. Dort angelangt, ging er einige Male um dasselbe herum, um sich zu überzeugen, daß sich niemand in demselben befinde. Dann trat er ein, zog die Tür hinter sich zu, brannte die Laterne an, um sich beim Schein derselben zu überzeugen, daß er sich allein befinde, öffnete die geheime Tür, trat zwischen die Doppelwand und verschloß dann den Eingang wieder.
Jetzt stieg er die Treppe hinab und erreichte den Gang. Die linker Hand liegende Tür war fest verschlossen, wie das vorige Mal. Müller schritt also zur rechten Hand in den Gang hinein, steckte aber seine Laterne dabei in die Tasche. Es war ja sehr leicht möglich, daß er sich durch den Schein derselben verraten konnte. Er hatte den unterirdischen Gang genügsam kennengelernt, um zu wissen, daß derselbe keine Gefahr bot, sondern daß man sich nur an der Mauer fortzutasten brauchte, um ohne Schaden in das Schloß zu gelangen.
Freilich kam der Doktor in der Finsternis langsamer vorwärts, als wenn er sich der Laterne bedient hätte, aber die Zeit war ihm doch nicht lang geworden, bis er an der Erweiterung des Ganges bemerkte, daß derselbe zu Ende sei. Jetzt zog er die Laterne hervor und griff zu gleicher Zeit nach der Uhr, um zu sehen, wie die Zeit stehe. Es war gerade Mitternacht.
Da war nun freilich keine große Hoffnung vorhanden, den Maler noch belauschen zu können, da dieser sich jedenfalls bereits zur Ruhe gegeben hatte. Aber dennoch stieg Müller die Treppe hinan, welche er sich von seiner vorigen Exkursion her sehr wohl gemerkt hatte.
FÜNFTES KAPITEL
Der Zahn des Löwen
Als Fritz währenddessen den Verfolgern glücklich entkommen war, war der alte Kapitän natürlich mit den beiden verwundeten Rallions in der Ruine zurückgeblieben. Dem Obersten strömte das Blut in einem breiten Strahl über das Gesicht. Er hätte gern geflucht und gewettert, mußte aber schweigen, da ihm sonst das Blut in den Mund gelaufen wäre. Desto mehr aber wetterte sein Vater, der einen Stich mitten durch den Handteller erhalten hatte.
„Was glauben Sie wohl, Kapitän“, sagte er, „bin ich etwa nach Ortry gekommen, um mich um meine Hand bringen zu lassen?“
„Pah, ein kleiner Stich!“ entgegnete der einsilbige Alte.
„Ein kleiner Stich, der mich aber lähmen kann! Wie nun, wenn die Sehnen zerschnitten sind? Gibt es hier jemanden, der etwas von Wunderarzneikunst versteht?“
„Mich selbst. Es ist nur gut, daß wir bereits einen Vorrat von Verbandszeug, Scharpie und dazugehörigen Medikamenten angelegt haben. Ich muß übrigens nach den Verbrannten sehen, welche sich jedenfalls noch im Saal befinden. Kampferwasser wird Ihnen die Schmerzen sofort stillen. Kommen Sie!“
„Kapitän, ich gebe Ihnen eine Gratifikation von tausend Franken für diejenige Person, welche den Kerl herausbekommt, dem wir diese Störung zu verdanken haben!“
„Und ich selbst legte noch tausend Franken dazu“, sagte der Alte im grimmigsten Ton. „Doch kommen Sie! Ich muß zunächst zu meiner Lampe!“
Er führte sie über den Hof hinweg nach einem Tor, welches sich in der Hauptfront öffnete, schritt mit ihnen durch einige Zimmer, bis er in dasjenige gelangte, durch dessen Fenster sie gesprungen waren. Hier stand noch die ausgelöschte Lampe. Der Kapitän brannte sie wieder an und hieß die Rallions die Treppe hinabsteigen. Er folgte ihnen und brachte die Steinplatte wieder in ihre Lage. So gelangten sie aus dem Gang in den Saal.
Dort waren die Flammen erloschen. Es hatte tiefe Finsternis geherrscht; aber trotz derselben befanden sich noch Menschen hier. Es waren die durch ihre Brandwunden Beschädigten und eine Anzahl anderer, welche bei ihnen zurückgeblieben waren.
Die Lampe des Alten brachte Licht in das Dunkel. Die Verwundeten stöhnten und baten um Hilfe.
„Ruhe!“ gebot der Alte. „Es soll euch Hilfe werden, doch einem nach dem anderen.“
Er setzte die Lampe nieder und verschwand für kurze Zeit durch die
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