55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Kopf, weshalb ich mich sehr zeitig schlafen legte. Da aber die Zimmerluft das Übel verschlimmert hat, so machte ich einen Spaziergang durch den Wald. Dort traf ich diesen Mann, welcher eine seltene Pflanze suchte, Sonnentau, einen vorzüglichen Tee. Auch ich kenne das kleine, empfindsame Gewächs, welches zu den fleischfressenden Pflanzen gehört, und erbot mich, mitzusuchen. Wir kamen auf diese Weise tief in den Wald hinein und standen plötzlich vor der Ruine.“
„Von welcher Sie noch nichts gehört hatten?“
„Kein Wort!“
„Können Sie mir dies auf Ihre Ehre versichern?“
„Ich gebe mein Ehrenwort, bis vor kurzer Zeit vom Dasein dieser Ruine nicht das geringste gewußt zu haben!“ versicherte Müller im Ton der Wahrheit. „Aber wozu diese Dringlichkeit? Wozu dieses Examen? Wozu diese Laterne und dieser Besen? Herrscht hier vielleicht ein Räuberhauptmann, ein Blaubart, ein menschenfressender Riese? Hat hier nicht ein jeder freien Zutritt, der sich für Altertümer interessiert?“
„Schweigen Sie!“ donnerte ihm der Alte entgegen. „Wissen Sie, daß die Ruine auf meinem Grund und Boden liegt?“
„Ich weiß es nicht, aber ich kann es mir denken.“
„Nun gut; ich bin der Grundherr, ich habe hier zu befehlen, und ich verbiete Ihnen, jemals dieses Kloster wieder zu betreten!“
„Mir, dem Erzieher Ihres Enkels?“ fragte Müller mit gut gespieltem Erstaunen.
„Ja.“
„Und Fremde dürfen Zutritt nehmen?“
„Wer sagt Ihnen, daß Leute hier gewesen sind?“
„Blicken Sie zu Boden! Sehen Sie nicht, daß diese Spuren noch ganz frisch sind?“
„Das geht Sie nichts an!“ rief der Alte. „Sie sollen hier nicht denken; Sie sollen hier nicht urteilen! Ich bin der Herr. Packen Sie sich hinaus!“
Da zuckte Müller gleichmütig die Achseln und antwortete:
„Mir ist es gleich, wer hier zu denken und zu urteilen hat. Draußen aber wird man auch urteilen, nämlich über die Art, in welcher man von hier hinausgeworfen wird, über die Sonderbarkeit, daß ein Kapitän der Kaisergarde hier mit dem Besen regiert, und über andere Dinge, welche fast vermuten lassen, daß hier nicht alles in Ordnung ist.“
Da sprang der Alte wütend auf ihn zu, faßte ihm am Arm und rief:
„Monsieur, was wollen Sie mit Ihren Vorwürfen sagen, he?“
„Nichts weiter, als daß ich Ihrem Befehl, diesen Ort zu verlassen, zwar gehorche, dennoch aber streng darauf bestehen muß, fernerhin in anderer Weise angesprochen zu werden. Ein deutscher Doktor der Philosophie steht in gesellschaftlicher und intellektueller Beziehung keineswegs unter einem französischen Kapitän der Kaisergarde!“
„Ah, das wagen Sie!“ knirschte der Alte, indem sein Bart sich förmlich sträubte. „Ich werde Sie entlassen, ich werde Sie fortjagen!“
„Pah, das können Sie nicht. Sie sind der Herr Kapitän Richemonte; mein Kontrakt aber ist vom Herrn Baron de Sainte-Marie unterzeichnet und untersiegelt. Adieu, Herr Kapitän!“
Er ging, und Fritz folgte ihm.
„Ah, gehen Sie!“ rief ihm der Alte nach. „Ich werde nachher mit Ihnen sprechen!“
Als die beiden draußen angelangt waren, gingen sie erst eine Weile schweigend nebeneinander her. Dann aber bemerkte Fritz:
„Jetzt haben Sie sich einen unversöhnlichen Feind geschaffen.“
„Jedenfalls.“
„Der Ihnen niemals verzeihen wird!“
„Das muß ich geduldig tragen. Die Grobheiten dieses Mannes waren ganz danach, mich herauszufordern. Ich habe ihm geantwortet; wir sind also quitt.“
„Oh, noch nicht! Er wird Sie fortjagen!“
„Ich werde nicht gehen!“
„Wirklich nicht? So wird er Sie beunruhigen!“
„Ich werde mir das verbitten!“
„Er wird Ihnen die Lösung Ihrer Aufgabe unmöglich machen!“
„Ich habe ihn nicht zu fürchten, obgleich er alles zu regieren meint. Denken wir nicht an ihn! Ich habe dir etwas Wichtiges zu sagen. Kannst du unbemerkt Hacken und Schaufeln besorgen?“
„Warum nicht?“
„Für heute abend?“
„Sehr leicht!“
„Nun wohl; wir werden ein Grab öffnen.“
„Donnerwetter! Ein Grab aufmachen? Das klingt ja ganz unmöglich!“
„Kennst du den Zauberer Abu Hassan, der heute in Thionville Vorstellung gibt?“
„Ja. Er wohnt im Gasthof, dem Doktor Bertrand gegenüber. Es ist ein Frauenzimmer bei seiner Truppe, welches mir heute eine förmliche Liebeserklärung gemacht hat.“
„Glücklicher Mann, die Liebe einer Künstlerin zu erringen!“
„Hm, die Kunst ist in ihr bereits über dreißig Jahre alt geworden, Herr
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