55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
wenn Sie mich fortschicken, denn Sie haben kein Recht dazu.“
„Sie widerstehen mir?“
„Allerdings. Ich bin vom Baron de Saint-Marie engagiert, nicht von Ihnen!“
„Oho! Ich habe an seiner Stelle den Kontrakt unterzeichnet und besiegelt, und ich werde auch an seiner Stelle auch die Ausweisung unterschreiben und petschieren.“
„Versuchen Sie es. Sie werden sehen, daß ich Sie nicht fürchte, Herr Kapitän!“
So war ihm noch keiner gekommen. Der Alte fletschte die Zähne, trat auf den Deutschen zu und rief mit dröhnender Stimme:
„So werde ich Sie mit meinen Händen erfassen und hinauswerfen!“
Müller lächelte ihm mit größter Freundlichkeit entgegen und antwortete:
„Oder die Pistole nehmen und mich erschießen, wie den Fabrikdirektor. Verstanden?“
Da fuhr der Alte zurück, als habe er ein Gespenst gesehen. Seine Augen öffneten sich weit, ebenso sein Mund, aber nicht vor Schreck, sondern vor ungeheurem Zorn.
„Herr!“ donnerte er. „Soll ich Sie zermalmen?“
„Das würde Ihnen schwer werden. Mir wird es nie einfallen, ein Blankett auszustellen, welches Sie dann mit der Erklärung ausfüllen, daß ich mich selbst mordete, weil ich Ihre Gelder unterschlagen habe, die Sie doch den Augenblick vorher in guten echten, leider aber gezeichneten Banknoten einsteckten.“
Jetzt stutzte der Alte doch. Er war so betroffen, daß er kein Wort hervorbrachte.
„Ich hätte Ihnen“, fuhr Müller fort, „wirklich die Klugheit zugetraut, mit einem Mann meines Schlages richtig sprechen zu können; aber ich sehe leider, daß ich mich täuschte. Sie beherrschen die ganze Besitzung, so daß alle Welt Sie flieht und fürchtet, aber dem armen, buckligen Deutschen vermochten Sie doch nicht, Respekt abzunötigen. Ein Mann der Wissenschaft, zumal meiner Wissenschaft, fürchtet keinen Menschen.“
„Ihrer Wissenschaft? Welche Wissenschaft nennen Sie denn so speziell die Ihrige?“
„Die Magie.“
„Die Magie? Unsinn! Reden Sie zu den alten Weibern von der Magie, aber nicht zu mir. Mit diesem Schwindel bringen Sie mich nicht zum Fürchten, Monsieur Müller!“
Er hatte seine Fassung wiedergewonnen und blickte den Deutschen finster an. Dieser hielt den herausfordernden Blick gelassen aus und antwortete lächelnd:
„Sie irren. Haben Sie einmal etwas vom Erdspiegel gehört, in welchem derjenige, der es versteht, alles sehen kann, was er will, selbst die tiefsten Geheimnisse eines Menschen?“
„Unsinn, und abermals Unsinn!“
„Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen. Ich wollte sehen, was Sie taten, und blickte in meinen Spiegel. Da sah ich Sie durch eine Stelle der Täfelung in das Gemach des Direktors treten; ich sah ihn das Geld aufzählen, ich sah ihn das Blankett ausstellen, ich sah Sie dann, am Schreibtische sitzend, dasselbe ausfüllen, ich sah Sie weiter in den Hintergrund des Zimmers treten, während er am Schreibtische las, was Sie geschrieben hatten; ich sah, wie er dann nach der Leitung sprang, wie aus Ihrer Pistole der Schuß aufblitzte, wie Sie das Blankett so legten, daß es gesehen werden konnte, wie Sie in Ihre Wohnung gingen, das Geld zu verbergen und sich dann schnell umkleideten, um den Glauben zu erwecken, daß Sie soeben erst erwacht seien. Mein Erdspiegel zeigte mir die Leitung; darum fand ich sie sogleich.“
Während dieser Worte war eine schreckliche Veränderung mit dem Alten vorgegangen. Seine Augen waren vor Angst eingesunken, seine Wangen erbleichten. Er war auf einen Stuhl gesunken, und sein Schnurrbart hing trostlos hernieder. Dieser Deutsche schilderte den Hergang so genau, als ob er selbst dabeigewesen wäre. War die Geschichte vom Erdspiegel wirklich keine leere Sage?
„Ist's wahr?“ stöhnte er. „Ist's wahr?“
„Vollständig wahr. Ich habe das alles nicht bloß gesehen, sondern auch gehört, Wort für Wort. Ich hörte die Versprechungen, welche Sie dem Direktor machten, die Erklärung, welche Sie seiner Liebe zur Baronin gaben, ich hörte, daß Sie ihn bereits am Vormittag mit ihr im Boudoir beobachtet hatten. Ich hörte von der Gratifikation, mit der Sie ihn kirrten, ich hörte alles, alles, bis der Schuß fiel, denn dann war ja nichts mehr zu hören.“
„O mein Gott, mein Gott!“
„Und so sehe ich noch jetzt das geraubte Gut, welches Sie dort im geheimen Fach hinter dem dritten Kasten verborgen halten; ein leiser Druck genügt, um die Feder zu öffnen. Soll ich es Ihnen zeigen?“
Er trat näher.
„Nein, nein!“ schrie der Alte entsetzt,
Weitere Kostenlose Bücher