56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
einige noch sichtbare Blutspuren vertilgt worden waren, löschten die beiden die Lampe aus und begaben sich mit dem Topf nach dem Ort, wo sie bereits vorhin miteinander gesessen hatten. Sie fühlten trotz der Länge ihres anstrengenden Rittes nicht die mindeste Müdigkeit. Das abendliche Erlebnis hatte ihre Nerven erregt, so daß sie keine Spur von Schläfrigkeit bemerkten.
Sie versuchten, sich die Zeit durch leise geführte Gespräche zu vertreiben, wozu ihnen allerdings Stoff genug geboten war. Während einer Pause fragte der Jüngere den Kapitän:
„Leben deine Schwester Margot und ihr Mann noch?“
„Jener verfluchte Hugo von Königsau, der Günstling des alten Blüchers? Ihm habe ich viel Malheur zu verdanken. Ich wollte, daß ihn der Teufel hätte. Ob er ihn aber schon hat, das kann ich nicht sagen, da ich so lange Zeit nicht wieder drüben gewesen bin.“
„Ob der Lieutenant von Königsau, den wir jetzt so freudig überraschen wollen, wirklich ein Verwandter von ihm ist?“
„Natürlich! Er ist ein Sohn von ihm und meiner Schwester. Wenn dieser Laffe wüßte, daß sein lieber Onkel ihm unterwegs auflauert, um ihn um einige Tropfen Blutes und verschiedene Kamelladungen leichter zu machen! Ich glaube, daß endlich, endlich meine Zeit begonnen hat. Ich habe jahrzehntelang vergebens auf sie gehofft und gewartet, und sie ist nicht gekommen. Ich habe gedarbt und gekämpft fast ein ganzes Menschenalter, ohne daß meine Hoffnung erfüllt worden ist. Jetzt aber winkt mir die Erfüllung meiner Wünsche. Rache will ich haben, Rache an diesem Königsau und seiner ganzen Sippe und auch, womöglich, Rache an der ganzen Nation dieser vermaledeiten Deutschen, deren Anwesenheit in Paris ich es zu verdanken habe, daß andere, welche damals neben mir dienten, heute bereits die Marschallstäbe tragen. Vielleicht gibt der Satan, wenn ich wieder im Vaterland wohne, diesen Deutschen die gehörige Portion Verblendung, einen Krieg mit uns zu beginnen; dann werde ich alles, alles tun, um ihr Blut fließen zu sehen, Blut, Blut und Blut.“
Wäre es nicht dunkel gewesen, so hätte man an ihm jenes Zähnefletschen beobachten können, welches bei ihm stets ein Zeichen grimmiger Aufregung war. Er befand sich jetzt in der Stimmung, in welcher er sich am wohlsten fühlte.
„Wer hätte gedacht“, meinte sein Gefährte, „daß wir heute so rasch zum Ziel kommen würden.“
„Und zu welch einem Ziel! Zwei Sainte-Marie sind tot, und ein Richemonte wird Baron. Das ist überschwenglich, mehr, als selbst die kühnste Hoffnung erwarten konnte. Wir können zufrieden sein.“
„Welche Nachricht wirst du dem Gouverneur Cavaignac bringen?“
„Bringen? Keine. Ich werde sie ihm durch den Kommandanten von Biskra, zu dem wir reiten, schicken. Es hat sich durch unser heutiges Abenteuer so vieles geändert, daß auch ich meinen Plänen eine andere Richtung geben muß. Es wird dies der letzte Dienst sein, den wir dem Gouverneur erweisen. Ich habe die Spionage satt.“
„Wird er erfahren, wer der Marabut eigentlich gewesen ist?“
„Wo denkst du hin! Er wird erfahren, daß er den frommen Hadschi Omanah nicht mehr zu fürchten brauche, weil dieser heute gestorben ist. Und unseren Lohn werden wir sicher erhalten. Ich hole ihn mir nach dem Überfall der Karawane des Deutschen.“
„Mir recht. Noch aber ist mir nicht klar, wie wir die Beni Hassan in den Verdacht bringen wollen, den Deutschen überfallen zu haben.“
„Das laß nur meine Sorge sein. Der Plan dazu ist fertig, er harrt nur noch der Ausführung und des Gelingens.“
„Ich mache aber die strenge Bedingung, daß dieser Saadi, der Geliebte Liamas, sterben muß.“
„Am liebsten ließe ich den ganzen Stamm vernichten und deine süße Liama zu allererst. Du wirst sehen, wohin dich diese Liebesblindheit führen wird. Ich habe meine Schuldigkeit getan und dich gewarnt; jetzt sieh du zu, ob du auch imstande sein wirst, die voraussichtlichen Folgen deiner Starrköpfigkeit auf deine eigenen Achseln zu nehmen.“
„Das laß nur immerhin meine Sorge sein“, antwortete der andere so kurz wie möglich. „Du sollst gar nicht das Glück haben, die Folgen dieses dummen Streiches, wie du ihn nennst, mitgenießen zu können.“
Mit dieser etwas scharfen Entgegnung wurde das Gespräch abgebrochen. –
Der Duft der Wüste stieg empor; es wehte leise, leise in den Zweigen; wie Flügelschlag einer fliehenden Seele; die Sterne des Südens lächelten herab, als ob es kein Ereignis gegeben
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