56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
Verunglückte nun das Licht hatte, bemerkte er die Tür, welche aus dem Verschlag nach dem Stall führte.
„Jetzt werde ich frei“, rief er nach oben. „Geh zu deinen Kameraden zurück und warte, bis ich dich abhole.“ –
Der gute Florian Rupprechtsberger hatte bisher in seinem Stalle versteckt gelegen. Ein großer Hund befand sich bei ihm. Als dieser zuerst das Geräusch und sodann die fremde Stimme hörte, stieß er ein leises, drohendes Knurren aus.
„Still!“ sagte der Kutscher leise zu ihm. „Du verdirbst sonst dir und mir den Spaß, wenn du nicht ruhig bist.“
Jetzt öffnete Richemonte die Tür, welche zu dem Verschlag führte, und trat in den Stall. Er bemerkte weder den Knecht, noch den Hund, da diese beiden versteckt in der Ecke lagen.
„Jetzt faß' ihn, wirf ihn hübsch ins Weiche!“ flüsterte Florian.
Da fuhr der Hund, ohne einen Laut von sich zu geben, auf den Kapitän los und warf ihn nieder. Der Überfallene stieß einen lauten Schrei aus, wagte aber nicht, denselben zu wiederholen, da er die Zähne des Hundes fürchtete. Er ahnte, daß das Tier bei der geringsten Bewegung oder beim ersten Laut zubeißen werde.
Als Florian sich überzeugt hatte, daß der Franzose sich in seinen Händen befinde, und daß das Licht ausgelöscht sei, ohne etwas anzubrennen, schlich er sich geräuschlos aus seiner Ecke hervor, öffnete die Tür, welche nach dem Garten führte und verließ durch dieselbe den Stall, ohne von Richemonte bemerkt worden zu sein. Von dem Garten aus konnte er leicht den Hof erreichen, ohne daß jemand geahnt hätte, daß er sich vorher im Stall befunden hatte. –
Napoleon erwartete mit Ungeduld das Ergebnis der Nachforschung des Kapitäns, doch konnte er sich seinen Pflichten nicht entziehen. Es befanden sich jetzt die beiden Marschälle und Drouet bei ihm. Aus dem Hauptquartier zu Sedan war ein Adjutant nach dem Meierhof gekommen und hatte außerordentlich wichtige Depeschen gebracht. Nun wurde großer und geheimer Kriegsrat gehalten. Aber so geheim, wie diese Herren dachten, war die Unterredung denn doch nicht. Droben vor dem Schalloch lag Königsau auf dem Dach und hörte jedes Wort, welches hier unten gesprochen wurde. Er wurde auf diese Weise Zeuge des großen Feldzugsplans, welcher entworfen wurde. Napoleon zeigte sich in demselben als der alte, nur schwer zu besiegende Meister der Schlachten und als ein feiner Kenner der Verhältnisse und Personen, denen er gegenüberstand.
Erstere zeigten sich so dringlich, daß der sofortige Abmarsch beschlossen wurde. Auch Napoleon selbst wollte bereits nach kurzer Nachtruhe aufbrechen und sich nach Maubeuge begeben, um seine Truppen dort zu konzentrieren. Ney ritt nach beendigtem Kriegsrat sofort nach Sedan, um seine Maßregeln schleunigst persönlich zu treffen.
Der Adjutant hatte auf diese Weise eine plötzliche Bewegung in die gegenwärtige Bewohnerschaft des Meierhofs gebracht. Auch Drouet war zum baldigen Aufbruch bereit. Boten kamen und gingen während der ganzen Nacht; eine Ordonnanz folgte der anderen, und kein Mensch hätte am vorigen Tag gedacht, daß der kleine Meierhof Jeannette jetzt der Ort sein werde, an welchem diejenigen Pläne geboren wurden, von denen das ganze Europa abhängig war.
Napoleon dachte, sobald er seiner Pflicht als Feldherr genügt hatte, sogleich an Kapitän Richemonte. Er wunderte sich, denselben nicht bereits wieder bei sich zu sehen, und darum sandte er nach ihm.
Der Bote kehrte bald mit der Meldung zurück, daß der Kapitän nirgends zu sehen sei. Darum wurden ernste Nachforschungen nach ihm angestellt, welche zur Folge hatten, daß man ihn endlich im Stall unter den Zähnen des Hundes fand.
„Schießt die Bestie nieder!“ meinte einer der Soldaten, indem er sich anschickte, sein Gewehr zu holen.
„Um Gottes willen, nein“, rief ein zweiter, welcher vorsichtiger war als sein Kamerad.
„Warum nicht?“ fragte der erstere. „Wie wollen wir den Hund wegbringen? Unserem Rufen gehorcht er nicht, und ihn anfassen und wegziehen? Brrr! Ich mag das nicht versuchen.“
„Der Hund würde den Kapitän sofort totbeißen, sobald man eine Waffe gegen ihn richtete. Man muß einen Mann suchen, dem er gehorcht.“
Da trat einer der Knechte hinzu und sagte:
„Er gehorcht keinem anderen, als nur dem Kutscher Florian.“
„Wo ist dieser?“
„Ich weiß es nicht.“
„Man muß ihn schleunigst holen.“
Erst nach längerer Zeit gefiel es dem schlauen Florian, sich finden zu lassen. Er wurde
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