56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
herbeigebracht, als schon vor und in dem Stall eine ganze Menge von Menschen stand, um sich das Schauspiel mit anzusehen.
„Was ist denn los?“ fragte er gemächlich. „Man sagt mir, daß mein Hund einen Kapitän am Kragen habe.“
„Ja“, antwortete man. „Ruf das Tier zurück.“
„Nur langsam, langsam. Erst muß man sich den Kapitän doch einmal ansehen, um zu wissen, ob man sich nicht vielleicht irrt.“
„Kerl, du hast gar nicht zu zaudern!“ rief derjenige, welcher vorhin vom Totschießen gesprochen hatte. „Oder willst du einen Kapitän der alten Garde unter den Zähnen deines Hundes sterben lassen?“
„Ich glaube nicht an diesen Kapitän. Ein Kapitän der alten Garde schleicht sich nicht heimlich wie ein Dieb in die Stallungen anderer Leute!“
„Und doch ist es so! Man wird das Tier erschießen, zur Strafe dafür, daß es sich an einen Offizier des großen Kaisers vergriffen hat.“
„Pah! Mein Hund hat seine Pflicht getan. Wer sich an ihm vergreifen will, der hat es mit seinen Zähnen und mit mir zu tun. Merkt es euch: er ist ein echter Pyrenäenhund, stark wie ein Bär, klug wie ein Fuchs und geschwind wie der Blitz. Ich rate euch, keine Dummheiten zu machen.“
Er nahm einem der Knechte die Laterne aus der Hand und schritt auf die Gruppe zu, welche eine so große Aufmerksamkeit auf sich zog.
Als der Hund seinen Herrn erkannte, wedelte er mit dem Schwanz, nahm aber seinen Rachen nicht von der Gurgel des Kapitäns weg.
„Holla, Tiger, wen hast du denn da gefangen?“ fragte der Kutscher, indem er sich zu dem am Boden Liegenden niederbog. „Alle Teufel! Es ist wahr! Das ist ja Kapitän Richemonte! Geh fort, Tiger. Dieser Mann ist kein Spitzbube, sondern ein ebenso tüchtiger Kerl wie du!“
Auf dieses Kommando ließ der Hund gehorsam von seinem Gefangenen ab und zog sich zurück. Richemonte erhob sich langsam und taumelnd. Er war mehr tot als lebendig, und tiefe Blässe bedeckte sein Gesicht.
„Schießt das Scheusal nieder!“ waren seine ersten Worte.
„Ich rate Ihnen Gutes!“ antwortete der Kutscher. „Der Hund ist dressiert, bei der geringsten feindseligen Bewegung auf den Mann zu springen. Aber, zum Teufel, wie kommen Sie in diesen Stall?“
„Ich suchte nach dem Flüchtling.“
„Der soll hier sein? Ich habe ja dem Kaiser bereits gesagt, daß er jetzt schon weit fort ist! Und wie sehen Sie aus, Kapitän.“
„Ich bin von oben herabgestürzt.“
„Wo, von oben?“
„Von der verdammten Treppe da drin in dem Verschlag.“
„Alle Teufel! Wie kommen Sie da hinauf? Es gibt ja nur eine halbe Treppe dort! Aber so ist es, wenn ehrlichen Leuten nicht geglaubt wird. Nun sehen Sie aus, wie – wie – – – na, und wie! Und nun riechen Sie mir – wie – – – na, und wie.“
„Und dabei sollen Sie sofort zum Kaiser kommen!“ sagte der Bote, welchen Napoleon gesandt hatte.
„Zum Kaiser? Mein Gott, was tue ich da?“
„Nun, Sie gehen hinein in das Wachlokal, reinigen sich schnell und ziehen einstweilen die Uniform eines Soldaten an. Ich werde unterdessen dem Kaiser melden, welcher Unfall es Ihnen unmöglich macht, sofort zu erscheinen.“
Dies geschah. Die neugierige Menge verlief sich schnell, und als Florian sich mit seinem Hund allein sah, strich er ihm liebkosend über das Fell und sagte:
„Das hast du gut gemacht, Tiger! Der Kerl wird eine wirkliche Todesangst ausgestanden haben, und das kann ihm gar nichts schaden.“ –
Einige Zeit später stand Richemonte vor dem Kaiser. Dieser empfing ihn mit einem seiner ironischen Blicke, von denen keiner gern getroffen wurde, und sagte unter einem leisen Lächeln:
„Sie sind Märtyrer unserer Sache geworden, wie ich höre, Kapitän?“
„Allerdings, Sire, nur nicht in einer sehr religiösen Weise.“
„Ich bedenke freilich, daß Sie in einem keineswegs heiligen Geruch stehen. Welches Ergebnis haben Ihre Nachforschungen gehabt?“
„Bisher leider noch keins. Ich wurde durch den Unfall verhindert, meine Nachforschungen fortzusetzen.“
„Bei wem waren Sie?“
„Zunächst beim Baron.“
„Was sagte er?“
„Er leugnete. Ich habe mir erlaubt, ihm Zimmerarrest zu geben und einen Posten vor seine Tür zu stellen.“
„Gut. Weiter!“
„Sodann suchte ich seine Mutter auf. Auch sie leugnete.“
„Gaben Sie auch ihr Arrest?“
„Ja.“
„Hm! Man hätte das lieber umgehen sollen. Sie ist die Dame des Hauses, und ich bin ihr Gast. Wohin begaben Sie sich dann?“
„Zu Margot.“
Das
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