56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
Wort sprang Richemonte gleich zwei Schritte vorwärts.
„Baron, was sagen Sie?“ rief er.
„Ja, es war Königsau; dieser Florian ist ein Verräter.“
„Irren Sie sich nicht?“
„Nein. Der Deutsche flog im Galopp an mir vorüber; ich konnte sein Bild also nur höchst flüchtig in mir aufnehmen. Darum mußte ich längere Zeit angestrengt nachdenken, ehe ich darauf kam, wem dieses Gesicht gehörte.“
„Verdammt! Sie hätten ihm sonst nachreiten können, um ihn in Sedan festnehmen zu lassen.“
„Allerdings. Das ist es ja, was mich ärgert.“
„Nun, jetzt ist er entkommen.“
„Und die beiden Soldaten mit. Ich will nur wünschen, daß ich mich in meinen weiteren Vermutungen wegen der beiden Soldaten irre.“
„Was ist's mit den Soldaten?“
„Sie sahen Ihrer Mutter und Schwester außerordentlich ähnlich.“
Richemonte erbleichte.
„Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß –“, stotterte er.
„Daß dieser verdammte deutsche Lieutenant sich in unser Hauptquartier und in die unmittelbare Nähe des Kaisers wagt, um mir meine Braut vor meinen Augen zu entführen? Ja, gerade das will ich sagen.“
„Das ist ein Unding, eine Unmöglichkeit. Wenn dies wahr wäre, so würde ich fast gezwungen sein, mich zu erschießen.“
„Überzeugen Sie sich.“
„Ja, kommen Sie mit.“
Die beiden Männer begaben sich nach dem Zimmer Margots. Vor demselben hielt der Posten.
„Etwas passiert?“ fragte Richemonte.
„Nein.“
„Viel Geräusch gehört?“
„Gar keins.“
Der Kapitän sowohl als der Baron sahen einander verdutzt an, und es schien, als ob sie wieder Vertrauen in die Lage ihrer Sache gewonnen hätten.
Richemonte wandte sich nun an den wachthabenden Posten mit der weiteren Frage:
„Ist da im Zimmer nicht gesprochen worden?“
„Nein“, rapportierte der Soldat.
„Treten wir ein!“ erklärte der Kapitän.
Er öffnete die Tür. Dies war jetzt möglich, da Margot vor ihrer Entfernung den Riegel mit Absicht wieder zurückgezogen hatte.
„Kein Mensch hier!“ sagte er. „Aber dort ist noch eine Tür!“
Er gelangte in das Zimmer, welches für Königsau bestimmt gewesen war. Auch hier war nichts zu sehen. Von da aus wagte er sich bis an die Treppe, welche in den Stall führte, und zu welcher er hinabgestürzt war.
„Hier sind sie hinab“, sagte er. „Der Schurke von Florian ist ihnen dabei behilflich gewesen und hat auch den Deutschen irgendwo versteckt gehabt. Wir müssen sehen, ob die Baronin und ihr Sohn mit ihm im Bunde gewesen sind.“
Er eilte, von Reillac gefolgt, nach dem Zimmer der Baronin. Dort stand der Posten, welchen er vor der Tür gelassen hatte.
„Ist die Gefangene noch anwesend?“ fragte er.
„Ja“, antwortete der Mann.
„Hast du sie gehört?“
„Ich habe soeben mit ihr gesprochen.“
„Was?“
„Sie trat an die Tür und verlangte ihre Bedienung zur Toilette.“
„Ist das Mädchen bereits bei ihr?“
„Sie ist im Augenblick eingetreten.“
„Wollen sehen.“
Er öffnete die Tür. Die Baronin saß, von dem Frisiermantel umhüllt, auf einem Stuhl. Beim Anblick der beiden Männer erhob sie sich überrascht.
„Madame, haben Sie während der Nacht dieses Zimmer einmal verlassen gehabt?“ fragte Richemonte, ohne sie vorher zu grüßen.
Sie warf ihm einen erstaunt-verächtlichen Blick entgegen und antwortete: „Monsieur, seit wann ist es Sitte, ohne Anmeldung und Gruß in das Boudoir einer Dame einzudringen?“
„Seit jeher, falls die Dame nämlich Gefangene ist. Sie haben meine Frage gehört, und ich ersuche Sie, mir eine Antwort zu geben.“
Sie zuckte die Achseln und entgegnete:
„Es kann hier von einer Antwort keine Rede sein. Ich spreche nur mit Personen, welche die im Verkehr mit Damen notwendige Höflichkeit besitzen. Ihnen aber mangelt dieselbe vollständig.“
„Ah!“ meinte er zornig. „Vergessen Sie nicht, daß Sie sich in meiner Gewalt befinden!“
„Jedenfalls in der des Kaisers, dessen Kerkermeister oder Büttel Sie ja nur sind. Verlassen Sie mich!“
„Ich werde nicht eher gehen, als bis Sie meine Frage beantwortet haben.“
Sie wendete sich stolz von ihm ab und schwieg.
„Ich muß Ihnen nämlich sagen, daß meine Mutter und Schwester während dieser Nacht entflohen sind – – –“
Bei diesen Worten des Kapitäns zuckte die Baronin zusammen. Sie konnte diesen Ausdruck der Verwunderung nicht beherrschen oder verbergen, doch schwieg sie noch immer.
„Und daß Sie der Beihilfe zu dieser Flucht
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