56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
forschte:
„Hatten Sie nicht Posten vor die Tür beordert?“
„Ja, Majestät.“
„So hat dieser Mann geschlafen.“
„Schwerlich. Die Gefangenen sind mit Hilfe des Kutschers nach dem Stall und von da in das Freie gekommen.“
„So hatte das Zimmer derselben noch einen zweiten Ausgang?“
„Allerdings, Sire.“
„Es stand kein Posten davor?“
„Nein.“
„Kannten Sie diesen zweiten Ausgang?“
Die Fragen des Kaisers folgten sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit, so daß der Kapitän Mühe hatte, seine Antworten mit derselben Schnelligkeit zu geben. Jetzt aber stockte er.
„Nun, Antwort!“ befahl der Kaiser streng.
„Ja, ich kannte ihn“, antwortete Richemonte gepreßt.
„Warum ließen Sie ihn nicht besetzen?“
„Weil ich ihn für unpassierbar hielt. Es waren dieselben Stufen, von denen ich heruntergefallen war.“
„Was tun Sie dann hier?“
„Ich kam, um den Baron zu verhören, nachdem ich vorher auch bereits bei seiner Mutter gewesen war.“
„Was sagte die Dame aus?“
„Daß sie von nichts wisse.“
„Und Sie, Baron?“
Mit dieser Frage wendete Bonaparte sich direkt an Sainte-Marie.
„Auch ich weiß von nichts“, antwortete dieser. „Ich versicherte dies dem Kapitän auf Ehrenwort, als Edelmann und Kavalier; er aber nannte mich einen Lügner, und als ich Genugtuung verlangte, verweigerte er mir dieselbe, weil ich Inkulpat sei.“
Der Kaiser blickte den Kapitän mit einem undefinierbaren Ausdruck in das Gesicht und fragte ihn:
„Also die beiden Posten haben ihre Schuldigkeit getan?“
„Ja, Majestät“, antwortete er.
„Das Zimmer der Baronin hat nur den einen Ausgang, welcher bewacht wurde?“
„Ja.“
„Und dieses auch?“
„Ja, wie Majestät sich selbst überzeugen können.“
„Nun, so sind Sie allein schuld an dem Entweichen der Gefangenen, indem Sie die Treppe nicht bewachen ließen. Ich sollte Sie streng bestrafen.“
Er ließ den vor Angst fast vergehenden Kapitän ein Weilchen warten; dann fuhr er fort:
„Doch ist diese ganze Angelegenheit eine so untergeordnete und gleichgültige, daß ich davon absehe. Diese Leute mögen sich immerhin entfernt haben: es liegt nichts an ihnen. Der Baron de Sainte-Marie und seine Mutter aber sind auf alle Fälle unschuldig; der Zimmerarrest ist aufgehoben: Sie sind beide frei.“
„Majestät, ich danke!“ rief der Baron. „Oh, ich wußte, daß mein Kaiser uns die Gerechtigkeit nicht verweigern werde.“
Napoleon beachtete diese Worte nicht; er wendete sich an Richemonte:
„Diese Angelegenheit ist also erledigt. Nehmen Sie die Posten weg und verfügen Sie sich dann nach Ihrem Zimmer. Der Baron de Reillac wird Sie begleiten.“
Er wendete sich kurz um und ging. Die beiden folgten ihm. Als sie nach kurzer Zeit Richemontes Zimmer betraten, meinte dieser:
„Was sagen Sie nun, Baron?“
„Ein ganz verfluchter Fall.“
„Oh, ich brenne vor Wut, daß der Kaiser mir vor diesem jungen Menschen den Verweis geben mußte. Nun werden die Weiber entkommen.“
„Meinen Sie? Ich glaube es nicht.“
„Nicht? Inwiefern?“
„Ich bin überzeugt, daß die Gleichgültigkeit des Kaisers nur affektiert gewesen ist. Er hat die Absicht gehabt, den Baron und dessen Mutter sicher zu machen. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn Sie in der nächsten Minute zu ihm gerufen würden.“
„Verdammt! Aber ich möchte es auch fast glauben.“
„Natürlich! Wir sollen uns in Ihr Zimmer verfügen. Zu welchem anderen Zweck denn, als sofort bei der Hand zu sein, wenn er schickt.“
„Ich könnt mich vor Grimm verzehren. Es ist wirklich – – –“
Er wurde unterbrochen, denn ohne, daß vorher geklopft worden war, öffnete sich die Tür, und – der Kaiser trat ein.
Die beiden standen in strammer Haltung, aber auch banger Erwartung vor ihm. Er zog die Tür zu, versicherte sich, daß sie wirklich verschlossen sei und wendete sich zuerst an Reillac:
„Baron, ich höre, daß Sie diese Margot Richemonte lieben?“
Der Gefragte verneigte sich stumm.
„Sie ist Ihre Verlobte?“
„Noch nicht, Sire.“
Die Stimme des Kaisers klang scharf und schneidend, als er antwortete.
„Sie ist es! Ihr Kaiser sagt es, und hier haben Sie meine schriftliche Bestätigung. Nehmen Sie.“
Er hatte bisher einen zusammengefalteten Bogen in der Rechten gehalten. Jetzt übergab er denselben dem Baron und fuhr dann fort:
„Die Braut ist Ihnen entflohen. Was ist Ihre Pflicht?“
„Ihr nachzueilen“, antwortete Reillac
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