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56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht

Titel: 56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Sie wissen, daß ich Kavalier und Edelmann bin. Sie werden mir jedenfalls Genugtuung geben.“
    „Fällt mir nicht ein! Sie sind jetzt weder Kavalier, noch Edelmann, sondern Untersuchungsgefangener.“
    Da trat der Baron nach der Ecke des Zimmers, in welcher ein Spazierstöckchen lehnte. Er griff danach und sagte:
    „Pah! Sie sind nicht der Mann, der mich seinen Inkulpaten oder Untersuchungsgefangenen nennen könnte. Ich frage Sie einfach, ob Sie mir Genugtuung geben wollen oder nicht?“
    „Fällt mir nicht ein!“ wiederholte der Kapitän.
    „Nun, so werde ich Sie zwingen.“
    Bei diesen Worten machte der Baron Miene, mit dem Stock auf seinen Gegner einzudringen. Dieser aber trat schnell zurück, so daß der Posten sichtbar wurde, und rief:
    „Halt! Einen Schritt weiter, so gibt Ihnen dieser Mann eine Kugel.“
    Der Baron blieb stehen. Er besann sich und warf den Stock von sich.
    „Monsieur, Sie sind ein ehrloser Feigling“, sagte er. „Aber“, fügte er rasch hinzu, „dort sehe ich einen, welcher mir Genugtuung verschaffen muß und auch verschaffen wird.“
    Der Kaiser war nämlich bereits wach geworden und trat soeben aus dem Portal. Der Baron hatte ihn erblickt und öffnete, ehe es verhindert werden konnte, das Fenster.
    „Sire! Majestät!“ rief er mit lauter Stimme.
    In seiner gegenwärtigen Aufregung dachte er gar nicht daran, daß es eigentlich ganz unerhört sei, sich in dieser Weise an den Kaiser zu wenden. Dieser wendete sich ihm zu und trat näher. Seine Stirn verfinsterte sich.
    „Ah, Baron! Was wollen Sie?“ fragte er kurz und streng.
    „Gerechtigkeit, Sire.“
    „Sie wird Ihnen werden.“
    Er machte Miene, sich umzudrehen, doch der Baron hielt ihn mit den Worten fest:
    „Man hält mich ohne Recht gefangen; man dringt auf die unverschämteste Weise bei mir ein; man beleidigt meine Ehre und verweigert mir doch die Genugtuung. Ich verlange, gehört zu werden.“
    Der Kaiser richtete einen finstern, beinahe starren Blick auf ihn.
    „Junge Mann, Sie sind sehr kühn“, sagte er. „Ich komme selbst.“
    Er hatte natürlich im Hof gestanden. Jetzt kehrte er durch das Portal zurück, um zum Baron zu gelangen.
    Dieser wurde jetzt von Richemonte und Reillac vom Fenster weggerissen, aber freilich zu spät.
    „Unsinniger, was wagen Sie?“ rief Reillac.
    „Der Kaiser, ah, der Kaiser kommt“, sagte Richemonte.
    Er war totenbleich geworden. Er hatte die Bewachung der Entflohenen übernommen und fühlte fürchterliche Angst bei dem Gedanken, wie Napoleon die Kunde von ihrer Entweichung aufnehmen werde.
    „Ja, er kommt“, meinte der Baron. „Ich habe ihn nicht zu fürchten.“
    „Hole Sie der Teufel! Aber machen Sie sich auf das Schlimmste gefaßt, wenn Ihnen nur der kleinste Gedanke einer Mitschuld zu beweisen ist.“
    In diesem Augenblick präsentierte der Posten das Gewehr. Der Kaiser nahte. Er trat langsam ein, warf einen raschen Blick auf die Anwesenden und fragte dann:
    „Kapitän Richemonte, was ist geschehen?“
    „Sire, etwas, was ich Eurer Majestät nur auf Dero Zimmer melden kann“, antwortete der Gefragte.
    „Sprechen Sie hier!“ klang es kurz und befehlend.
    Der Kapitän räusperte sich in größter Verlegenheit und meldete:
    „Die Gefangenen sind entflohen, Sire.“
    Es ging ein schnelles, unheilverkündendes Zucken über Napoleons Gesicht.
    „Welche Gefangenen?“ fragte er.
    „Meine Mutter und meine Schwester.“
    Das bronzene Gesicht des Kaisers wurde um einen Schein dunkler. Er trat rasch zum Fenster und blickte hinaus, als ob er irgend etwas Auffälliges da draußen bemerkt habe. Doch geschah dies nur, um seine Gefühle zu verbergen und Zeit zu gewinnen, ruhig zu erscheinen. Als er sich wieder umdrehte, war in seinen eisernen Zügen nicht die mindeste Aufregung zu bemerken.
    „Wann sind sie entflohen?“ fragte er.
    „Beim Morgengrauen“, antwortete der Kapitän. „Das zu untersuchen, begab ich mich hierher, Majestät. Ohne Beihilfe von anderer Seite wäre den Damen die Flucht unmöglich gewesen.“
    „Wann hat man ihre Entfernung bemerkt?“
    „Herr Baron de Reillac ist ihnen zwischen hier und Sedan begegnet.“
    „Ah! Er hat sie nicht festgehalten?“
    „Er hat sie nicht erkannt, da sie als Soldaten verkleidet waren.“
    „Sie waren allein?“
    „Nein, der Kutscher Florian begleitete sie, und der Anführer der Truppe war jener deutsche Lieutenant Königsau.“
    Der Kaiser preßte die Lippen zusammen. Es dauerte eine Weile, ehe er weiter

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