56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
davon. Der Major aber kam erst jetzt zum vollen Bewußtsein der Situation, in welcher er sich hatte überraschen lassen.
„Donnerwetter!“ sagte er. „Im Hemd! Und es war der Kaiser. Ich werde sogleich nach anderen Kleidern klingeln und dann nach dem Spitzbuben forschen. Erwische ich ihn, so lasse ich ihn hängen, erschießen und rädern für die Blamage, die er mir bereitet hat.“
Er drückte seine Tür gerade zur rechten Zeit zu, um nicht auch noch von Richemonte und Reillac bemerkt zu werden, welche eben jetzt vorüber schritten. Nach wenigen Minuten verließen beide den Meierhof zu Pferd, gefolgt von drei Kavalleristen, mit denen sie im gestreckten Galopp auf Sedan zusprengten.
Dort erfuhren sie zunächst, daß die Gesuchten hier durchgekommen seien, und am jenseitigen Ausgang der Stadt gab man ihnen dann an, daß sie die Richtung nach Bouillon eingeschlagen hatten.
Die Verfolger nahmen natürlich dieselbe Richtung.
Sie kamen viel schneller vorwärts als Königsau, welcher die Damen hatte berücksichtigen müssen. In verhältnismäßig kurzer Zeit erreichten sie Bouillon. Jenseits dieses Ortes erblickten sie zwei Personen auf einer Wiese. Dort hielten sie an.
„Seid Ihr von hier?“ fragte Richemonte.
„Ja, Monsieur“, antwortete der Mann.
„Wer seid Ihr denn?“
„Ich bin der Besitzer des Gasthauses dort, und das ist meine Frau.“
„Wie lange arbeitet Ihr heute bereits hier?“
„Seit drei Stunden.“
„Sind keine Reiter hier vorüber gekommen?“
„Ja, doch.“
„Wieviele?“
„Vier waren es.“
„Soldaten?“
„Drei Soldaten; einer von den Dragonern und zwei Gemeine.“
„Wer war der vierte?“
„Das muß ein Landmann gewesen sein!“
„Ist Euch an diesen Leuten nichts aufgefallen?“
Der Mann blickte seine Frau und sie ihn an.
„Soll man es verraten?“ flüsterte er.
„Hm! Wer weiß denn, was das klügste ist“, antwortete sie ebenso leise, wie er gesprochen hatte.
Richemonte bemerkte ihr Flüstern und ihre Ungewißheit und sagte:
„Ich bin ein Abgesandter des Kaisers. Ihr habt mir die Wahrheit zu sagen, wenn ihr nicht in Strafe kommen wollt. Also, ist Euch nicht etwas Ungewöhnliches an diesen Reitern aufgefallen?“
„Ja, doch“, antwortete der Mann zögernd.
„Was?“
„Der eine von den Soldaten war ein Weib.“
„Ah! Woher wißt Ihr das?“
„Weil ihr das Haar aufging, als der Major sie vom Pferd hob.“
„Er hob sie vom Pferd? Weshalb?“
„Es mochte ihr übel geworden sein, denn er trug sie zum Wasser und gab ihr zutrinken.“
„Blieben sie lange hier?“
„Nein. Sie ritten bereits nach kurzer Zeit wieder fort.“
„Wohin? Wohl jedenfalls nach Paliseul zu?“
„Nein, sondern links da in die Berge hinauf.“
„Donnerwetter! Was wollen sie dort?“ sagte er zu Reillac. „Sie fangen es nicht ganz übel an, uns zu entkommen.“
„Ja“, meinte der Baron. „Da in den Bergen und Wäldern wird es uns schwer werden, auf der Spur zu bleiben. Wir sind leider keine Indianer, welche jeder Fährte zu folgen vermögen. Aber nach müssen wir ihnen doch!“
„Das versteht sich ganz von selbst.“
Und zu dem Wirt gewendet, fragte er weiter:
„Ritten diese Leute sehr schnell?“
„Nein, sondern sehr langsam.“
„Haben sie mit Euch gesprochen?“
„Kein Wort. Aber den Major kennen wir.“
„Wieso? Wie heißt er?“
„Das wissen wir nicht. Er hat vor kurzer Zeit eine Nacht bei uns geschlafen.“
„War er in Uniform bei Euch?“
„O nein. Er gab sich für einen Musikus aus Paris aus.“
„Das ist eine Lüge. Ich will Euch sagen, daß er ein preußischer Spion ist, den wir fangen wollen. Wohin führt der Weg, den sie geritten sind?“
„Nur in den Wald zu einer alten Kohlenbrennerhütte.“
„Nicht weiter? Nach keiner Stadt und keinem Dorf?“
„Nein.“
„Das ist schlimm. Wie lange ist es her, daß sie hier waren?“
„Vielleicht eine halbe Stunde.“
„Hurra, so erwischen wir sie vielleicht noch, bevor der Weg aufhört und der Wald anfängt?“
„Ja, wenn Sie die Pferde anstrengen wollen, so ist es möglich, daß Sie sie noch bei der Hütte einholen.“
„Dann vorwärts!“
Er gab seinem Pferd die Sporen und lenkte in den schmalen Bergweg ein. Die anderen folgten.
Es war schwer, hier reitend empor zu kommen, aber die beiden Verfolger hatten keineswegs die Absicht, ihre Tiere zu schonen. Diese wurden vielmehr zum möglichst schleunigen Tempo angetrieben, und so wurde die Entfernung sehr rasch
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