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56,3° Im Schatten

56,3° Im Schatten

Titel: 56,3° Im Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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es dann nur noch ein paar kleine Prüfungen bis zum Notarzt, die er ja im Herbst nachholen kann, das jedenfalls waren die medizinischen Überlegungen vom Doktor Krisper zum ins Haus stehenden Humtata-Wochenende.
    Wer aber räumt den ganzen Dreck weg, die Leichen, die halb und ganz Verfaulten, die Verdurstenden und Ausgetrockneten, die auf halbem Wege Liegengebliebenen und die in ihren Autos Verbrannten? Wer schiebt die kollabierten Sommerfrischler und Tagestouristen an den Straßenrand, sobald sie mitten auf dem glühenden Asphalt umgefallen sind, und wer bringt den Kindern der sonnenverbrannten Nordic Walker bei, dass ihre Sportskanonen-Eltern auch dann gestorben wären, wenn sie die vergessenen Schi mitgehabt hätten?
    Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, während der beim Humtata-Wochenende der Blutzoll jedes Jahr immer noch um ein paar hundert Liter gestiegen ist, haben den Doktor Krisper jedenfalls gelehrt, dass er mit der Erstversorgung der ganzen im Blutrausch angestochenen, vom Alkohol gefällten und im eigenen Erbrochenen Erstickenden sowie mit dem Schienen der gebrochenen oder verstauchten Knöchel der ganzen Tanzwütigen so viel zu tun haben wird, dass er sich zum Beispiel nicht auch noch um die Kaputten, Verletzten, Verblutenden und Zerrissenen kümmern kann, die anschließend an den Bierzeltrausch noch bei den zahlreichen Verkehrsunfällen zusammengeklaubt werden müssen, teils aus Eigenverschuldung (Alkohollimit missachtet!), teils aber auch wegen der vielen Schlaglöcher in den Straßen krachen dann immer alle gegeneinander, gut möglich, dass auch der heilige Christophorus sich schon in eine kühlende Stranddisco auf Kreta verabschiedet hat.
    Als wäre so ein Humtata-Wochenende alleine nicht schon genug der Arbeit, kommt in diesem Sommer auch noch die sogenannte „unsägliche Hitze“ dazu, wie der Doktor das bisserl heiße Luft nennt, das selbst er nicht gewohnt ist, obwohl das schon eher ein Sommer war, was sie dort früher gekannt haben, als er noch Tanzbär in den bulgarischen Karpaten war und nicht Landarzt bei den heimischen Problemboys – „Biermösel!“, hat er immer wieder gerne erzählt, „wir haben bunte Kleider getragen, uns an den Händen gehalten und Ringelreiha getanzt mit unseren großen Schuhen samt Quasten vorne dran und den lustigen Hauben oben drauf, oh Biermösel, war das schön!“
    Die unerwartete Hitze wird bei den regenverwöhnten Einheimischen zu Hitzschlag und Hitzestau führen, hat ihm der Doktor Krisper erklärt, und der Biermösel glaubt, dass der Doktor selbst schon betroffen ist. Dazu die Probleme mit den ganzen Touristen und Sommerfrischlern, welche die Hitze erst recht nicht gewohnt sind, weil sie ja immer wegen dem verlässlichen Regenwetter samt dem hereinziehenden Nebel hierhergekommen sind, also wer soll die bitte alle wegräumen?
    Keine Armee der Welt kann die ganzen zu erwartenden Verheerungen beseitigen, da braucht es schon einen Profi, geschult und gestählt im täglichen Kampf mit den Klobrillen der engeren Heimat, mit den abgeschnittenen Zehennägeln der gehobenen Herrschaften und dem ganzen anderen Dreck, den so eine Gesellschaft anzurichten imstande ist.
    Da braucht man vor allem einen guten Magen!
    Vor den Toten und Elenden hat der Mensch ja obendrein eine gewisse natürliche Scheu, die sind ihm meist ferner als das nächste Bierglas. Wenn also schon beim Notarzt gespart wird, so hat der Doktor Krisper für die Aufräumarbeiten auf die diplomierte Putzfrau bestanden, und um die zu finden, hat er nur auf die one and only Fachkraft im Wegräumen zurückgreifen müssen, die Vertragsunterzeichnung mit der Anni war dann nur noch Formsache.
    Im Sommer sind nämlich immer alle weg, die von ihr das Scheißhaus herausgeputzt haben wollen. Langjährige Stammkunden wie der Pfarrer Hein sind obendrein weggefallen, seit ihn der Biermösel im Frühjahr eliminiert hat, und die, die noch leben, haben entweder bei der Hitze kein Verlangen nach Sex oder drehen im Gegenteil durch und rennen den Tagestouristinnen und Sommerfrischlerinnen nach wie der Biermösel bei seinen privaten Winnetou-Festspielen dem Flüchtlingsrotzbuben Juanito mit seinem Mondgesicht aus Leder, und das heißt dann für die Anni natürlich: Flaute im Geldsack, Schulden bis über beide Ohren und Sorgen mit den Zwillingen, die gegen alles und jeden rebellieren, weil sie in einem schwierigen Alter sind und ihren Papa nicht kennen, der ihnen die Ohrwascherl langziehen könnte, wenn es denn einmal

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