56,3° Im Schatten
einen gewissen „Ferdinand Blanc, Gebirgskammstraße, Aussee“, und jetzt fragt die Roswitha ihren großen Bruder:
„Warum ist das so?“
„Weil der Weiß Ferdl nicht alleine da gewohnt hat, sondern mit dem Ferdinand Blanc zusammen?“, mutmaßt der Biermösel, aber mit dieser Erklärung kann und will sich die Roswitha natürlich nicht zufriedengeben.
Als Schweinsbratenköchin von Geburt an schaut sie nämlich immer ein bisserl genauer hin, wenn irgendwo ein Stückerl totes Fleisch herumliegt, und so wie sie das Schweinsbratenfleisch immer hin und her dreht und her und hin, so wie sie es immer befühlt und von allen Seiten betatscht, bevor sie es in das Rohr hineinschiebt und den Ofen auf Vollgas dreht, so wendet und dreht sie jetzt auch den Ferdl ein paarmal hin und her, und schon überlegt sie, ob sie seinen Leichnam nicht einsalzen und später schänden soll, weil sie etwas sehr viel Versprechendes am Ferdinand bzw. im Ferdinand drinnen ertastet, etwas, das sich lang und steif und hart anfühlt in ihren Händen und sie sofort an die körperliche Liebe denken lässt. Aber dann merkt sie, dass es gar nicht sein kleiner Franzose ist, mit dem sie da spielt, sondern eine Trompete, die ihm in der Gurgel drinnen steckt und bis zum kleinen Franzosen hinunterreicht, und jetzt lautet die bange Frage natürlich:
„Warum ist das so?“
So eine Gurgel ist nämlich ein ungewöhnlicher Aufbewahrungsort für eine Trompete, findet der Biermösel, außer natürlich man sagt, dass der Ferdl in seiner Letztbestimmung ein Trompetenkoffer war.
Bei den Franzosen weiß man ja schließlich nie.
Politischer Mord
Der Biermösel hat dann den Schock noch nicht verdaut, dass einer Weiß Ferdl und Ferdinand Blanc gleichzeitig heißen kann, da kommt die Roswitha schon mit seinem Volksmusikantenbefähigungsausweis aus dem Schlafzimmer herausgerannt und nimmt den schnellen Datenabgleich im Großhirn vor, ohne Scanner, dafür mit Daumen mal Pi und einer Portion Hausverstand:
Als die Biermösel-Mama verschwunden ist, kombiniert sie, war der Krieg gerade ein paar Jahre zu Ende und der Mond noch längst nicht erobert, „richtig?“
„Richtig!“
Und als der Ferdinand laut seinem Volksmusikantenbefähigungsausweis geboren worden ist, war der Krieg ebenfalls gerade erst ein paar Jahre zu Ende und der Mond noch immer längst nicht erobert, freilich exakt plus neun Monate Schwangerschaft, das passt alles hinten und vorne zusammen. Dazu sein verdächtiger Damenbart, der dem von der Mama verblüffend ähnelt! Dazu der Rollkragenpullover, der auch den Biermösel gleich an den Schonn Gabönn von damals erinnert hat! Und sogar das Blut vom Ferdl, das sich die Roswitha genau angeschaut und mit ihrem eigenen verglichen hat, ist haargenau das gleiche wie ihres, nämlich blutrot bis dorthinaus, also sind sie alle ein Fleisch und ein Blut!
Der Biermösel findet dann aber nicht, dass das richtige Beweise sind. Noch will er nicht so recht glauben, dass einer, der „Schö Tem“ singt und in so einer Bude wohnt, sein Bruder sein soll. Aber je schneller und sicherer die Roswitha kombiniert und ermittelt, desto kleinlauter wird nicht nur er selbst, sondern werden auch seine Bumsis, die sich jetzt fast ein bisserl schämen, dass sie die Luft verpesten dürfen, die der kleine fette Knödel atmet, immer dünner und leiser werden sie, bis sie endgültig verstummen.
Als sich dann aber endlich die erste Fliege bei der Türe hereintraut und sich auf den schon sehr geschwollenen Bauch vom Roi d’Humtatá draufsetzt, damit sie das Festmahl beginnen kann, kommt dem Ferdl unter ihrer Last so eine unverwechselbare Bombe à la Biermösel aus, dass sich die Erdachse mit nur einem einzigen Ausstoß gleich um ein paar Längengrade verschiebt und die Luft auf der Nordhalbkugel um ein paar Grade erwärmt – und hoppala, plus 47,7 ° im Schatten. Da spätestens ist dann sogar der Biermösel überzeugt, dass es sich beim Ferdl um seinen Bruder handelt, wer könnte sonst so furzen?
Für die ausgedehnte und tief empfundene Familientrauer bleibt dann aber natürlich wenig Zeit. Ein paar schnell gerauchte Joes, weil man inmitten der ganzen tief empfundenen Trauer auch ein bisserl lustig sein will. Dann mit den Eisenfüßen ein paar langsame Akkorde auf dem gläsernen Flügel gespielt, bis er komplett zusammengebrochen ist. Dann noch heimlich zur Feier des Tages still und leise an der französischen Cognacflasche genippt, damit man weiß, was man ein Leben lang nicht
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