57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
entgegnete sie schnell, „habe ich ein Unrecht an Ihnen begangen, so bitte ich Sie um Verzeihung und um Mitteilung desselben.“
„Unrecht?“ sagte er. „O nein, tausendmal nein! Bitte, Mademoiselle, geben Sie mir einmal Ihr Händchen.“
Sie reichte ihm vertrauensvoll ihre Rechte dar. Er ergriff dieselbe und sagte:
„So! Diese Hand muß ich Ihnen drücken voll inniger Dankbarkeit, daß Sie mir in einem Augenblick zu Hilfe kamen, da ich schon alles verloren gab.“
Sie ließ ihm ihre Hand und antwortete:
„Sie haben einen vollständigen Sieg errungen, Herr von Königsau.“
„Oh, nur durch Ihr rechtzeitiges Einschreiten!“
„Ich tat nur, was mir mein Herz gebot. Tante hatte ein großes Unrecht gegen Sie begangen. Wie freut es mich, daß sie ihre Meinung so schnell geändert hat! Sie haßt leider die Deutschen und – die Offiziere, oder vielmehr den Stand der letzteren.“
„Warum, mein Fräulein?“
„Sie ist leidenschaftlich Französin.“
„Und da meinen Sie, müsse sie die Deutschen hassen?“
„Nicht meine Meinung ist es, sondern die ihrige, mein Herr.“
„Sie würden also keinen hassen aus dem einzigen Grund, daß er ein Deutscher ist?“
„Nein, nie! Sie haben mir vielmehr ganz aus der Seele gesprochen, als Sie jenes schöne Gebot des Erlösers erwähnten und die Stimme des Herzens, welche –“
Sie stockte. Dachte sie, zuviel gesagt oder überhaupt ein Gebiet berührt zu haben, welches zu betreten sie keine Berechtigung hatte? Er hielt ihre Hand noch immer in der seinigen. Sie machte nicht die leiseste Anstrengung, sie ihm zu entziehen. Es war beiden, als ob es so sein müsse und nicht anders sein könne. Ein süßer Schauer durchrieselte ihren Körper, als sie jetzt von ihm einen leisen Fingerdruck fühlte und dann die Worte hörte:
„Die Stimme des Herzens, welche –? O bitte, fahren Sie fort.“
„Nein, nein, ich weiß es nicht“, flüsterte sie verlegen.
„Ich glaube es Ihnen“, antwortete er zart. „Auch ich wußte es nicht, bin aber so glücklich, es erfahren zu haben.“
Es war ihm, als ob er ein ganz, ganz wenig bemerkbares Zucken ihrer Hand empfinde. War das infolge seiner Worte? Er konnte dies nicht erfahren, denn sie brachte ein anderes Thema, indem sie fragte:
„Sie erzählten von jener bösen Hiebwunde, welche Ihr Papa empfangen hat. Leidet er jetzt noch daran?“
„Sie verursacht ihm zuweilen Schmerzen.“
„Wie leid, wie sehr leid mir das tut. Ihr Vater muß ein außerordentlich angelegter Charakter sein.“
„Ich bin allerdings überzeugt, daß er schnell Karriere gemacht hätte, wenn jene Verwundung nicht dazwischen gekommen wäre.“
„Das ist lebhaft zu bedauern. Glauben Sie, daß ich Ihre Eltern persönlich kenne?“
„Wie? In Wirklichkeit persönlich?“ fragte er, im höchsten Grad überrascht.
Sein Staunen erheiterte sie, und ein leises Lächeln glitt über ihre schönen, sanften Züge.
„Ich bitte es nicht so ganz wirklich zu nehmen“, sagte sie. „Sie sind ein sehr guter Erzähler. Sie schildern so lebhaft und anschaulich, daß man die Personen, von denen Sie sprachen, gewissermaßen vor sich sieht und so liebgewinnt. Das ist es, was ich sagen wollte, und so habe ich es gemeint.“
„Sie haben meine Eltern lieb?“
„Ja, wer könnte das Bild Ihrer Mama sehen, ohne ihr die wärmste, vollste Sympathie zuzuwenden? Und derjenige, dem sie sich für das Leben anvertraut hat, muß ihrer würdig sein.“
Wie wohl taten diese Worte dem Lieutenant! Sie liebte seinen Vater und seine Mutter. War er nicht berechtigt, folgendermaßen weiter zu schließen: Sie liebt meinen Vater, weil er der Mutter würdig ist; nach den Gesetzen der Natur und Erfahrung, werde ich der Eltern nicht unwert sein, folglich kann auch mir die Liebe zu eigen werden. Sie fuhr fort:
„Ihr Vater ist ein sehr mutiger, sogar verwegener Mann gewesen. Ich bin überzeugt, daß Sie sein Ebenbild sind.“
„Woher vermuten Sie das?“ fragte er.
„Es ist keine Vermutung, sondern Überzeugung. Wer in die Sahara geht, der hat ein mutiges Herz. Und daß Sie ein solches besitzen, haben Sie ja auch heute wiederholt und zur Genüge bewiesen. Werden Sie mir glauben, daß ich für Sie gezittert habe?“
„Dieses Duells wegen?“
„O nein, Herr Lieutenant, sondern der Tante wegen.“
„Ist sie so schlimm?“ fragte er in einem scherzhaften Ton.
„Schlimm nicht, aber sehr eigen. Fast befürchtete ich, daß sie dem Diener Befehl geben werde, Sie fortzuführen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher