57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
seiner Rückkehr aus Afrika auch nichts Eiligeres zu tun, als schleunigst einen Band zusammenzuschmieren.“
„Welcher Unsinn! Was soll in dem Buch stehen?“
„Seine Erlebnisse.“
„Wer in Deutschland kann sich für Afrika interessieren? Kein einziger Mensch. Was weiß ein Deutscher überhaupt von Afrika? Es ist ja bekannt, daß die Deutschen die miserabelsten Geographen sind. Die meisten werden den Namen Afrika noch gar nicht gehört haben. Sie wohnen ja viel zu weit nach Norden; Algerien aber, also Afrika, gehört uns. Wir Franzosen sind es, welche sich ausschließlich mit der Zivilisation des dunklen Erdteils abgeben, und so gebührt uns auch das ausschließliche Recht, Bücher über diesen Erdteil zu schreiben. Daran mögen sich die Deutschen nur niemals wagen.“
„Ich kann Ihnen nicht ganz unrecht geben, trotzdem aber ist jenes Buch von Königsau geschrieben worden und sogar in einer französischen Übersetzung erschienen. Hier erkennt man wieder einmal die selbstlose Großmut unserer glorreichen Nation. Es hat sich ein mitleidiger, französischer Verleger gefunden, um diesem beklagenswerten Deutschen in Form des Honorares ein Almosen zukommen zu lassen. Da ich, wenigstens negativ, mich für Königsau interessieren muß, so habe ich mir diese Übersetzung gekauft. Sie gleicht einem Tagebuch und gibt ganz genau an, was von Datum zu Datum erlebt wurde. Ich werde Henry dieses Buch zu lesen geben, und so wird er wissen, was er zu antworten hat.“
Wie dieser Punkt, so wurden auch noch andere Punkte eingehend besprochen, deren Erörterung zum Gelingen des Planes unumgänglich notwendig war. Das Gewitter im Südwesten stand im Begriff, seinen zweiten Blitzstrahl zu versenden, von welchem anzunehmen war, daß er zerstörender wirken werde, als der erste. –
Einige Wochen später fuhr eine Droschke erster Klasse an einem breiten Hauseingang einer der belebtesten Straßen Berlins vor. Der Insasse, ein langer, schmächtiger Herr in elegantem Reiseanzug, aus dessen ganzem Äußeren man den Franzosen vermuten konnte, stieg aus und trat in den Flur. Dort gab es linker Hand eine Glastür, an deren Scheibe dieselben Worte wie auf der über dem Tor angebrachten Firma zu lesen waren: ‚Samuel Cohn, Bankgeschäft und Länderagentur‘.
Der Fremde öffnete diese Tür, trat ein und fragte den in diesem Raum befindlichen Kommis in französischer Sprache:
„Ist Monsieur Cohn zu sprechen?“
„Ja, Monsieur; der Chef ist soeben gekommen“, antwortete der Kommis mit einer sehr gewandten Verbeugung, aber in einem desto weniger gewandten Französisch.
„Hier, mich melden!“
Der Fremde gab dem Jünglinge die Karte. Kaum hatte dieser einen Blick auf dieselbe geworfen, so machte er, fast wie ein Kautschukmann eine abermalige Verbeugung, welche aber alle zweiunddreißig Richtungen der Windrose durchlief, und sprang dann mit einer Eilfertigkeit davon, als sei er in jeder dieser Richtungen von fünf Taranteln und zehn Skorpionen gezwickt und gebissen worden.
Er durcheilte das nächste, lange, aber schmale Zimmer, in welchem mehrere Kommis an Stehpulten arbeiteten, riß dann eine Tür auf und schrie hinein:
„Herr Cohn, Herr Cohn, Herr Samuel Cohn, beeilen Sie sich schleunigst zu beginnen, sich zu erheben, um aufzustehen von dem Stuhl, auf welchem Sie doch nicht in sitzend ausruhender Stellung empfangen können den Herrn, welcher auf französischer Manier präsentiert eine Karte mit der Krone eines Grafen und begehrt zu sprechen das Bankgeschäft und die Länderagentur des Herrn Samuel Cohn in Berlin.“
Der Prinzipal riß dem Kommis die Karte aus der Hand, betrachtete sie nur den fünfzigsten Teil einer Sekunde und antwortete dann, dem Jüngling eine tiefe Verbeugung machend, welche eigentlich dem zu erwartenden Besuch galt:
„Eine Krone, ein Graf! Seltene Ehre! Feines Geschäft jedenfalls! Mag eintreten!“
Der Kommis wollte zurück, rannte aber dabei im Umdrehen an den Fremden, welcher bereits hinter ihm stand, da er es nicht für opportun gehalten hatte, zu warten.
„Monsieur Cohn?“ fragte der Eintretende in stolzem Ton.
„Habe die Ehre, habe die große Ehre! Bin Cohn selbst, Samuel Cohn vom Bank- und Ländergeschäft!“
Diese Worte stieß der Chef unter einem Dutzend seiner tiefsten Verbeugungen hervor und zog die Tür dabei hinter dem schnell eintretenden Fremden zu. Dieser ließ sich ohne Aufforderung und ohne alle Umstände in den hier befindlichen Diwan nieder, zog eine Zigarre hervor, setzte sie
Weitere Kostenlose Bücher