57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Füßen hin und her trabte, um den englischen Zelter vorzustellen, auf welchem eine kleine, allerliebste Reiterin saß und seinen Rücken mit den quatschigen Fäustchen traktierte, um den armen, bereits schwitzenden Gaul aus dem Trab gar noch in den Galopp zu treiben. So ein kleines Tausendschönchen weiß eben auch schon ganz genau, daß es sich ungestraft erlauben darf, das gutmütige stärkere Geschlecht in Zaum und Zügel zu nehmen.
Und daneben stand, diese Gruppe betrachtend, mit glückstrahlendem Auge eine liebe, milde Madonnengestalt, die Mutter dieser beiden schönen Kinder, und doch noch so jungfräulich angehaucht, als ob die Liebe noch gar nicht dagewesen sei, ihr Herz, Mund und Sinn zu erschließen – Ida von Rallion, die Frau Gebhards von Königsau, welcher leider jetzt in der Ferne weilte.
Dieses Stilleben wurde durch den Knecht unterbrochen, welcher eintrat, um eine Karte zu überbringen und dabei zu melden, daß ein fremder Herr angekommen sei und nach Herrn von Königsau gefragt habe. Hugo nahm die Karte, warf einen Blick auf dieselbe und las laut:
„Henry de Lormelle. Diesen Namen kenne ich nicht. Hast du ihn vielleicht einmal gehört, beste Margot?“
„Nie“, antwortete die Matrone.
„Oder du, liebe Ida?“
„Ich auch nicht, Papa.“
„Nun, wir werden ja gleich sehen. Ich bitte den Herrn, einzutreten.“
Diese Worte waren an den Knecht gerichtet, welcher sich entfernte, um den Fremden herbeizubringen. Als derselbe eintrat, grüßte er stumm, aber mit einer Verbeugung, welche bewies, daß er gewohnt sei, sich in guter Gesellschaft zu bewegen. Er wurde nicht mit jenen kalten, neugierig oder gar zudringlich fragenden und taxierenden Blicken empfangen, mit denen in manchen Familien der zum ersten Mal Zutritt Nehmende begafft oder gar beleidigt wird, sondern Königsau legte sein Buch weg, erhob sich, ging ihm entgegen, reichte ihm die Hand und begrüßte ihn französisch, da er aus dem Namen schließen konnte, daß der Besuch ein Franzose sei.
„Willkommen, Monsieur de Lormelle! Ich heiße Königsau, und diese Damen sind meine Frau und die Gattin meines Sohnes. Die Enkel spielen dort Kavallerie, was ich gütigst zu entschuldigen bitte. Ebenso mögen Sie verzeihen, daß meine Frau sich nicht erheben kann. Ihr Leiden wehrt ihr die Möglichkeit, Sie anders als sitzend zu begrüßen.“
Das klang so warm, so herzlich, als ob der Franzose bereits seit Jahren Bekannter der Familie sei. Er schritt auf Margot zu, küßte ihr die Hand und sagte:
„Ich würde es sehr beklagen, wollten Sie sich meinetwegen auch nur eine Spur von Schmerz bereiten, Madame. Gott lasse Sie gesunden durch die Freude, welche Sie an dem herzlieben Bild haben müssen, eine Freude, an welcher die Mama dieser reitenden Kavallerie sicherlich teilnehmen wird.“
Dabei deutete er mit der Linken auf die beiden Kinder und ergriff mit der Rechten auch die Hand Idas, um sie zum chevaleresken Gruß an seine Lippe zu ziehen.
Das alles geschah so gewandt, so ungesucht, daß es auf die Familie den besten Eindruck machte.
„Nehmen Sie Platz“, meinte Königsau. „Und denken Sie, bei Freunden oder Bekannten zu sein.“
Der Fremde verbeugte sich dankend und antwortete deutsch:
„Unter Bekannten pflegt man sich der Sprache des Hauses zu bedienen. Gestatten Sie mir, in der Ihrigen zu sprechen und verzeihen Sie mir die Regelwidrigkeiten, welche zu unterlassen ich nicht vermögen werde.“
„Wir werden möglichst milde Richter sein“, meinte Margot, indem sie ihm mit einem freundlichen Lächeln zunickte.
„Davon bin ich überzeugt“, antwortete er. „Ich werde ja bereits im ersten Augenblick von der angenehmsten Gewißheit berührt, mich einem Familienkreis genähert zu haben, in welchem Liebe, Güte und Milde das Zepter führen. Dies ist mir um so wohltuender, als ich wirklich in der Überzeugung, hier einen Freund zu finden, um Erlaubnis zum Zutritt ersuchte.“
„Einen Freund?“ fragte Ida. „Oh, da ist es ja nicht anders möglich, als daß Sie meinen Gatten meinen.“
„Gebhard?“ fragte die Matrone. „Solltest du richtig raten?“
„Die gnädige Frau hat sich nicht geirrt“, sagte Henry. „Ich berührte auf meiner Reise nach Petersburg diese Gegend und erinnerte mich dabei der Heimat meines Freundes Gebhard von Königsau, welchen ich in Algerien kennengelernt habe.“
„In Algerien?“ fragte Hugo. „Herr de Lormelle, Sie bereiten uns da eine höchst angenehme Überraschung. Mein Sohn ist leider
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