57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
verstehen Sie es vielleicht nicht?“
„Verstehen? Ah, der Schurke wird uns doch nicht betrogen haben!“
„Was sonst? Was anders? Da, lassen Sie uns einmal nachsehen!“
Sie besahen sich den Inhalt des Koffers; sie durchwühlten den letzteren und warfen alles heraus.
„Alle Teufel! Steine und Laub!“ rief der Graf.
„Laub und Steine!“ wiederholte der Kapitän im grimmigsten Ton.
„Er hat uns betrogen!“
„Betrogen und bestohlen! Aber ich werde den Schurken suchen; ich werde ihn ganz sicher finden und zermalmen!“
Sein Gesicht nahm einen schrecklichen Ausdruck an; sein Schnurrbart ging in die Höhe und ließ die langen gelben Zähne sehen.
„Oder handelt er im Einverständnisse mit Königsau?“ bemerkte Graf Rallion.
Richemonte fühlte sich von diesem Gedanken betroffen.
„Donner!“ meinte er. „Auch das ist möglich.“
„Vielleicht hat er geahnt und erraten, daß er nichts bekommen sollte, und Königsau alles mitgeteilt.“
„Das ist mir doch nicht sehr wahrscheinlich. Er hätte sich ja als Spitzbuben hinstellen müssen.“
„Das ist richtig!“
„Ja, er hat uns betrogen; er hat das Geld an sich genommen und uns diese Steine dafür gegeben.“
„Mineralproben!“ meinte der Graf mit einem bösen Fluch.
„Brechen wir auf! Kehren wir sofort zurück, um ihn zu fangen.“
„Pah! Wir bekommen ihn doch nicht! Er wird schon längst über alle Berge sein.“
„Aber ich suche seine Spur! Ich finde sie und bringe ihn zur Anzeige. Ich werde der Polizei melden, daß er der Dieb ist!“
Der Kapitän ließ sich von seinem Grimm hinreißen. Der Graf zeigte sich besonnener. Er entgegnete:
„Damit würden wir nur uns selbst schaden. Nimmt man ihn gefangen, so wird er alles gestehen, und es geht dann uns ebenso wie ihm an den Kragen!“
„Wir bestreiten alles! Er ist ein Lügner!“
„Man wird ihm dennoch glauben. Das klügste ist, daß wir heimlich nach ihm forschen. Meine Geschäfte hier sind abgemacht. Ich habe den Kauf in den Händen. Vernichten wir den Koffer und stecken ihn hier in den Ofen, um ihn zu verbrennen. Dann brechen wir auf. Die Güter sind mein; die Rache an Königsau ist gelungen; nur das ist verloren, was wir zu viel bezahlt haben. Und wenn wir es klug anfangen, wird es uns vielleicht doch gelingen, dieses Schurken habhaft zu werden und ihm seinen Raub wieder abzujagen.“
Die beiden Männer erkannten, daß sie betrogen worden seien und in dem ehemaligen Diener ihren Meister gefunden hatten. Die Gier nach Rache überstieg noch den Grimm über den Betrug, welcher an ihnen verübt worden war. Sie verbrannten den Koffer und saßen einige Stunden später im Bahnwagen, um den gegen Königsau gerichteten Schlag auszuführen und zugleich nach den Spuren dessen zu suchen, der sie um ihren Raub gebracht hatte. – – –
Was Königsau betrifft, so hatte er am Morgen nach dem Kauf Smirnoff und Samuel Cohn abfahren lassen, ohne eine Ahnung von dem schweren Verlust zu haben, welcher ihn betroffen hatte. Erst als beim Frühstück der Gerichtsamtmann, welcher die aktuelle Handlung geleitet hatte, die Bemerkung machte, daß vorsichtigermaßen ein Verzeichnis der Nummern der Staatspapiere anzulegen sei, öffnete er den Schrank und nahm den Koffer hervor.
Der Schlüssel fehlte. Das fiel ihm auf, denn er wußte ganz genau, daß er denselben stecken gelassen hatte. Da er ihn trotz alles Suchens nicht fand, so wurde ihm ängstlich zumute. Er ließ die noch anwesenden Herren rufen und teilte ihnen die beunruhigende Entdeckung mit, welche er gemacht hatte.
Es wurde beschlossen, gar nicht erst auf die Ankunft eines Schlossers zu warten, sondern den Koffer sofort aufzubrechen. Das geschah. Der Schreck und die Aufregung, welche sich nun aller bemächtigte, ist gar nicht zu beschreiben. Der Amtmann gab den Befehl, daß kein Mensch, welcher sich auf dem Schloß befinde, dasselbe ohne Erlaubnis verlassen dürfe. Ein sicherer Bote wurde nach der Polizei geschickt, und dann begann eine allgemeine Aussuchung. Die gestohlene Summe war so bedeutend, daß an eine Schonung der Gefühle des einzelnen gar nicht gedacht werden konnte. Diesem Schlag folgte ein zweiter, noch größerer.
Frau Margot hatte sich in ihrem Zimmer befunden, als die schlimme Entdeckung gemacht wurde. Sie war schon längere Zeit unfähig, allein zu gehen. Jetzt hörte sie ein Rennen und Rufen, ein Klagen und Fragen. Sie klingelte, sie rief nach Dienerschaft, aber vergeblich. Jetzt bemächtigte sich ihrer eine
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