57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Ableben ein Teil ihres Nachlasses zufallen. Das wäre in seiner gegenwärtigen Lage eine große Hilfe für ihn gewesen. Nun war selbst diese Hoffnung vernichtet. Ihr Feind, der Graf Jules Rallion, war auch hier vom Glück begünstigt worden.
Nun galt es, zu arbeiten und zu schaffen, damit die nackte Armut nicht ihren Einzug halte.
Zwar hatte Gebhard an seinem Schwager Goldberg einen Freund, dessen ganzes Eigentum ihm zur Verfügung gestanden hätte, aber er zog es vor, sich selbst seinen Unterhalt zu verdanken. Er versuchte, die Erfahrungen und Anschauungen, welche er sich auf seinen Reisen gesammelt hatte, zu verwerten. Er schrieb Bücher, Berichte und Gutachten und hatte die Freude, seine Mühen anerkannt und belohnt zu sehen. Es gelang ihm, sich mit der Feder eine, wenn auch nicht glänzende, so doch zufriedenstellende Existenz zu erobern.
Aber die Zeit rückte vor, und mit ihr stiegen die Ansprüche, welche das Leben und die Sorge für die Seinen an ihn machten. Der kleine Richard hatte das Alter erreicht, in welchem er als Kadett eintreten sollte; dazu waren Mittel erforderlich, welche Gebhard leider nicht besaß. Zwar griff Kunz von Goldberg ein; aber es war vorauszusehen, daß die Ausgaben von Jahr zu Jahr steigen würden. Schwager Goldberg sollte nicht gewohnheitsmäßig in Anspruch genommen werden; man mußte daran denken, sich irgendeine Hilfsquelle zu öffnen.
So saßen Großvater, Vater und Mutter oft sorgend beisammen, um zu beraten und Pläne zu entwerfen, welche sich aber stets als nicht wohl ausführbar erwiesen.
Ein einziger unter diesen Plänen gab, so abenteuerlich er auch auf dem ersten Blick erschien, doch eine kleine Hoffnung des Gelingens. Und stets war es Großvater Hugo, welcher die Rede auf ihn brachte.
„Die Kriegskasse“, meinte er, „könnten wir doch die Kriegskasse finden!“
„Sie gehört nicht uns; sie ist Eigentum Frankreichs“, wendete Gebhard ein.
„Aber Frankreich muß dem Finder eine Gratifikation zahlen.“
„Nun wohl! Aber wo soll man sie suchen?“
„Ich kann mich leider nicht mehr besinnen; aber soweit meine Gedanken reichen, muß ich mir sagen, daß ich sie nicht gar sehr weit und zwar südlich von dem Ort vergraben habe, wo sie erst lag. Die Zeichnung, welche ich damals fertigte, hat zwar Blücher erhalten, aber ich habe eine Kopie genommen, welche wir noch jetzt besitzen.“
Dieses Gespräch wiederholte sich so oft, daß Gebhard von Königsau sich endlich an den Gedanken gewöhnte, der verlorenen Kriegskasse nachzuforschen. Im stillen tat auch Ida alles mögliche, ihn in diesem Beschluß zu bestärken. So saßen sie einstmals in dem kleinen Gärtchen, welches zu ihrer gegenwärtigen Wohnung gehörte, und sprachen über denselben Gegenstand. Da erwärmte sich Großpapa Hugo so sehr für denselben, daß er schließlich ausrief:
„Nun gut, Gebhard! Wenn du nicht gehst, so gehe ich!“
„Du?“ fragte der Angeredete. „Das geht nicht!“
„Warum nicht?“
„Gerade jetzt macht dir deine alte Wunde sehr viel zu schaffen. Du bedarfst der Ruhe und hast für Monate hinaus jede größere Anstrengung zu vermeiden.“
„Die Reise ist keine Anstrengung.“
„Sie kann sogar eine sehr große werden.“
„Wieso?“
„Es ist keine Erholung, dort im Gebirge herumzuklettern und nach einem Ort zu suchen, den man nicht kennt! Dazu kommt, daß es heimlich geschehen muß, so daß niemand etwas davon merkt. Das Wetter darf gar nicht berücksichtigt werden, im Gegenteil, je schlimmer es ist, desto sicherer ist man vor etwaigen Lauschern.“
„Hm! Das mag sein! Also muß ich leider darauf verzichten; aber du, lieber Gebhard, könntest es doch versuchen!“
„Wenn Ihr es denn so dringend wünscht, so will ich Euch den Willen tun. Aber wie es anfangen?“
Da ließ sich hinter ihm eine Stimme vernehmen:
„Das ist nicht schwer!“
Der drehte sich um. Da stand der alte, treue Kutscher Florian Rupprechtsberger, welcher damals mit Hugo nach Deutschland gekommen war und auch dann die Familie nicht verlassen hatte, als sie arm geworden war.
„Nicht schwer? Wieso?“ fragte Gebhard.
„Ich gehe mit!“
„Du? Hm!“
Florian war alt geworden. Gebhard betrachtete seine Gestalt mit prüfendem Blick, wie um zu taxieren, ob der brave Mann den Anstrengungen einer solchen Reise auch noch gewachsen sei.
„Das ist wahr“, sagte der Großvater. „Da ich nicht mit darf, so ist unser Florian der einzige, welcher jene Gegend kennt.“
„Gewiß!“ antwortete Florian.
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