57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
ehrlichen Hirten bin.“
Da blitzte es heimtückisch in Richemontes Augen auf.
„Ah!“ sagte er. „Was mein Sohn gesprochen hat, ist ein Erzeugnis des Wahnsinns gewesen. Kommen Sie sofort mit zu ihm. Er wird alles, alles widerrufen.“
„Ich danke!“ antwortete sie, überlegen lächelnd. „Ich habe gehört, daß es in diesem Schloß viele verborgene Winkel gibt, in denen ich nicht gern verschwinden möchte. Ich gehe. Am Bett des Deutschen, den Sie töten wollten wie seine beiden Begleiter, werde ich mit Ihnen meinen Vertrag abschließen. Gehen Sie nicht auf denselben ein, so wird mein Vater sofort Anzeige des Geschehenen erstatten. Der, welcher verwundet in unserer Hütte liegt, ist der rechtmäßige Besitzer Ihres Eigentums, denn der einzige Saint-Marie, welchen es nach dem Tod des Marabut noch gab, ist von euch ermordet worden. Ich rate Ihnen: Machen Sie Ihren Frieden mit mir, sonst sind Sie verloren!“
VIERTES KAPITEL
In der Gewalt des Erpressers
Der große Turenne sagte einstmals zum französischen Minister Louvois: „Ein unfriedfertiger Nachbar ist der schlimmste aller Feinde. Man ist gezwungen, ihm gegenüber stets auf dem ‚Qui vive‘ zu stehen, und dieses Mißtrauen ist ein ewiges Hindernis aller friedlichen Bestrebungen. Sieger kann nur derjenige bleiben, welcher von beiden der Verschlagenere und rücksichtslosere ist.“
Mag die augenblickliche Ursache dieses Ausspruchs gewesen sein, welche sie wolle, der berühmte französische Feldherr hat mit diesen Worten das Verhältnis Frankreichs zu Deutschland, wie es stets war und immer sein wird, ganz vortrefflich gezeichnet.
Nach den napoleonischen Kriegen hatte eine verhältnismäßig lange Ruhe die Deutschen besonders die Preußen innerlich kraftvoll erstarken lassen, ohne daß der oberflächlich urteilende Franzose es bemerken oder zugeben wollte. Der verbesserte Volksunterricht und treffliche Kriegsschulen hatten die Aufgabe gehabt, ausgezeichnete Offiziere und ein intelligentes Heer heranzubilden. Zöglinge dieser Kriegsschulen waren in entfernte Länder gesandt worden, um sich in den dortigen Kriegen an Erfahrungen und Anschauungen zu bereichern. Sie kehrten als tüchtige Strategen und Taktiker zurück, ohne daß dies von anderen beobachtet wurde.
Während Napoleon über Marschälle und Generäle verfügte, welche sich in Afrika, Rußland, China, Italien und Mexiko einen berühmten, vielleicht aber auch berüchtigten Namen gemacht hatten, besaß Preußen nur Wrangel, welcher zu alt war, um eventuell eine Heeresleitung zu übernehmen. Andere waren während des Schleswig-Holsteinischen Krieges zwar auch genannt worden, aber so oberflächlich, daß auswärts gar keine Notiz von ihnen genommen wurde.
Daß sogar preußische Prinzen, wie zum Beispiel Friedrich Karl, strategische Werke verfaßt hatten, hielt man für Spielerei, und war je einmal von einer Verbesserung oder Neuorganisation kriegerischer Institutionen die Rede, so verhallte die Kunde davon in dem Stimmengewirr; von Ereignissen, welche von größerer Wichtigkeit zu sein schienen. Der deutsche Michel besitzt eben einen guten Teil Mutterwitz und hat es verstanden, im europäischen Spiel nicht ahnen zu lassen, welche Karten er habe und welche Trümpfe zuletzt aufzulegen er imstande sei. Ihm das edle Schach anzubieten, hielt man für zu ungebildet und befangen; man hatte ihm nur erlaubt, an einer ungeschickten Partie Schafkopf teilzunehmen. Warf man ihm ja einen Stecher hin, so gab er klein zu. Man ahnte nicht, daß er schlauerweise die Matadore in der Hand behielt, um am Schluß die Gegner desto sicherer zu schlagen.
War in Paris von Bismarck, von Moltke die Rede, so zuckte man die Achseln. Der erstere war ein mittelmäßiger Staatsmann mit ungewandten Manieren, und der letztere ein Offizier, weiter nichts. Mit solchen Männern brauchte man nur so zu rechnen, wie der Spieler mit gewöhnlichen Blättern: sie gehören zur Karte, sind aber nichts weniger als entscheidend.
Nachdem Napoleon die mexikanische Schlappe erhalten hatte, ließ er sich im Gefühl der Blamage allerdings herbei, mit diesem Bismarck in einen Notenwechsel zu treten. Er bot Preußen eine Gebietsvergrößerung um acht Millionen Einwohner an und verlangte dafür den preußischen, bayrischen und hessischen Landesteil, welcher zwischen dem Rhein und der Mosel liegt. Dieser Streich sollte das Ansehen, welches er bei seinem Volk verloren hatte, wieder herstellen. Wie ungeschickt, wie tölpelhaft, daß dieser Bismarck
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