57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
dieser Taverne, ein verschlagener und zugleich verwegener Mensch, machte den Dieb und Hehler zu gleicher Zeit; aber noch niemals war es der Polizei gelungen, ihn so zu fassen, daß man ihn hätte bestrafen können. Die bei ihm verkehrenden Gäste waren Leute, welche mit den Gesetzen mehr oder weniger in Konflikt geraten waren, und wurden von Kellnerinnen bedient, deren Charakter kaum mehr ein zweideutiger zu nennen war.
Das Haus hatte eine sehr schmale Front, und nie zeigte dieselbe des Abends ein erleuchtetes Fenster. Es schien ganz unbewohnt zu sein, außer dem Keller, in welchem sich die betreffende Restauration befand und zu welchem man auf einer Reihe von gebrechlichen Stufen hinabsteigen mußte.
Dieser Keller war lang und schmal. Man hatte ihn in verschiedene Abteilungen geteilt, deren vorderste die Gäste innehatten. Nur diejenigen, denen der Wirt ein besonderes Vertrauen schenkte, durften die hinteren Räume betreten, worüber sie aber gegen andere kein Wort verloren.
Heute saß vielleicht ein Dutzend Männer an einer Tafel. Ein jeder hatte ein großes Glas mit scharfem Schnaps neben sich stehen. Die Unterhaltung war eine höchst einsilbige. Den Wirt hatte bis jetzt noch niemand gesehen. Das Äußere der beiden Kellnerinnen, welche zugegen waren, das heißt ihr Aussehen und ihre beinahe freche Bekleidung, ließ auf ein vollständig destruiertes Ehrgefühl schließen. Die eine saß mitten unter den Männern, hatte den einen derselben beim Kopf genommen und tat von Zeit zu Zeit einen tüchtigen Zug aus seinem Glas. Die andere saß allein in einer Ecke, hatte den Kopf in die Hand gestützt, so daß ihr Gesicht im Schatten lag, und schien nicht bei sehr guter Laune zu sein.
Der ihr am nächsten Sitzende wendete sich ihr zu und sagte:
„Was ist denn mit der Sally? Sie sieht ja aus, als ob sie von Vater Main den Abschied bekommen hätte!“
„Den Abschied?“ lachte das andere Mädchen. „Oh, der ist ihr sicher genug! Vater Main ist nur ungehalten, weil sie seit letzter Zeit so ungeheuer zimperlich und spröde geworden ist.“
„Spröde? Das war sie doch früher nicht. Man hat sich mit ihr stets ein Vergnügen machen können.“
Das Mädchen zuckte die Achseln, warf den Mund auf und meinte:
„Hm! Sie hat einen Anbeter.“
„Einen Anbeter? Einen Geliebten? Donnerwetter! Wer ist der Kerl? Kenne ich ihn?“
„Nein. Du bist ja längere Zeit nicht hier gewesen. Er ist ein Fremder, der erst seit einiger Zeit hier verkehrt.“
„Dann ist Vater Main sehr unvorsichtig geworden!“
„Wieso?“
„Nun, einen Fremden läßt man doch nicht so schnell einheimisch werden, daß er den Stammgästen das Mädel wegschnappt.“
„Oh, er schnappt noch anderes weg.“
„Was?“
„Das Geld.“
„Ah! Er spielt?“
„Ja, und zwar sehr gut.“
„Bei euch? Da oben?“
Dabei machte der Frager eine geheimnisvolle Fingerbewegung nach der Decke zu.
„Natürlich da oben!“
„Wagt man denn nicht zu viel, ihn da einzuweihen? Ist er einer der Unserigen?“
„Er gehört zu uns. Er ist ein Changeur.“
„Ein Changeur? Ja, diese Leute machen viel Geld; sie können spielen, und zwar hoch spielen. Zu diesem gefährlichen Geschäft gehören feine und gescheite Köpfe. Wie heißt er?“
„Er sagt es nicht. Wir nennen ihn nur den Changeur. Er ist außerordentlich vorsichtig. Sally aber nennt ihn ihren Arthur.“
„Wo ist er her?“
„Er sagt, daß er aus den Pyrenäen stamme.“
„Ob es wahr ist?“
„Jedenfalls. Er spricht ganz den Dialekt, welcher in Foix oder Roussillon gebräuchlich ist. Übrigens ist er ein ganz charmanter Kerl, der keinen Spaß verdirbt und gewöhnlich das, was er im Spiel gewinnt, wieder zum Besten gibt.“
„Da ist er ein Mann! Das liebe ich. Ein gescheiter Mensch, welcher aus den Taschen der Reichen lebt, darf gegen seine armen Kameraden nicht knausern. Wird er heute kommen?“
„Das ist unbestimmt. Er ist seit einigen Tagen nicht hier gewesen. Darum macht die Sally ein solches Gesicht. Das alberne Mädchen denkt, er ist ihr untreu geworden.“
„Pah! Was wäre das weiter! Ist es der nicht, so ist es jener! Komm, Sally, trink mit mir!“
Die Angeredete machte eine abwehrende Bewegung. Darum wendete der Sprecher sich zu der anderen:
„Bei Gott, du hast recht! Sie ist spröde geworden. Der Teufel hole die Frauenzimmer!“
„Mich auch mit?“ fragte sie lachend.
„Nein. Um dich zu bekommen, soll er noch längere Zeit warten. Du bist immer ein gutwilliges Kind gewesen.
Weitere Kostenlose Bücher