57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
dachte, daß es doch wenigstens einen unter euch geben werde, der ihn kennt oder doch von ihm gehört hat. Ich habe ihn auch noch nicht gesehen; aber es steht zu erwarten, daß bald die Zeit kommt, in welcher wir ihn kennenlernen werden. Dann blüht unser Weizen; dann wird es viel, viel besser für uns, als es jetzt ist. Darauf könnt ihr euch verlassen.“
„Wieso? Rede! Sprich!“ erscholl es von allen Seiten.
Auch Sally kam herbei, um die Sache mit anzuhören. Sie setzte sich neben den Changeur und legte ihm vertraulich die Hand auf die Schulter. Er zuckte bei dieser Berührung leicht zusammen, ließ es ihr aber weiter sonst nicht merken, ob diese Annäherung ihm angenehm sei oder nicht.
„Nun“, begann Brecheisen seine Erklärung mit wichtiger Miene. „Ihr wißt doch, daß der Marschall Niel schon längst unserer Armee eine neue Organisation gegeben hat?“
„Natürlich weiß ich das!“ antwortete sein Nachbar.
„Ja, du vor allen Dingen mußt das wissen, Rossignol. Du warst ja ganze drei Monate Soldat, machtest aber lange Finger und mußtest am Schluß der Strafzeit das Unglück haben, daß man dich nicht mehr bei der Armee sehen wollte.“
Rossignol heißt Nachtigall, aber auch Dietrich. Der also Genannte war also auch ein Einbrecher. Er lachte und sagte dann:
„Ja; sie meinten, ich hätte keine Ehre mehr. Dummheit und Ehre! Ich kam auf diese Weise vom Militärdienst frei. Aber fahre doch fort, Brecheisen!“
„Nun“, ließ der andere sich weiter vernehmen, „schon als im Jahre siebenundsechzig wegen der luxemburgischen Frage der Tanz beginnen sollte, bildeten sich Schützengesellschaften, welche den Namen Sociétés des Franctireurs erhielten. Die Sache schlief aber leider damals ein, denn dieser Bismarck wagte es, uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Jetzt aber ist alle Aussicht vorhanden, daß diese Gesellschaften Arbeit erhalten werden.“
„Wieso denn?“
„Das fragst du noch? Weißt du denn, was man unter einem Franctireur versteht?“
„Nun, einen bewaffneten Franzosen, welcher das Recht hat, jeden Feind seines Vaterlandes niederzuschießen.“
„Das ist richtig und doch auch falsch. Schon jeder Soldat der Linie und der Mobilgarden wäre dann ja ein Franctireur. Man beabsichtigt allerdings, Gesellschaften von freien Schützen zu bilden und sie den verschiedenen Armeekorps beizufügen. Das sind Privatleute, welche vom Kaiser das Recht erhalten, ihr Vaterland zu verteidigen. Kein Völkerrecht kann ihnen etwas anhaben. Selbst wenn man sie ergreift, müssen sie als einfache Kriegsgefangene behandelt werden, welche man ordentlich verpflegt und nach dem Friedensschluß wieder frei läßt. Aber ich meine, es ist sehr gut, für das Vaterland zu kämpfen, noch besser und gescheiter aber ist es, für sich selbst ein wenig den Freischützen zu spielen. Ist das nicht wahr, Dietrich?“
„Das denke ich auch!“ antwortete der Gefragte.
„Es wird noch mehrere, noch viele, viele geben, welche ebenso denken. Diese werden nicht so dumm sein, sich der Armee anzuschließen, um für geringe Löhnung und elendes Kommißbrot sich totschießen zu lassen, sondern sie werden eigene, freie Kompanien bilden und ohne ihre Gesundheit, ihre Freiheit und ihr Leben zu riskieren, ihre nächste Pflicht erfüllen, nämlich vor allen Dingen auf ihren persönlichen Vorteil sehen.“
„Das wäre gar nicht übel. Aber das geht ja nur dann, wenn man Krieg hat.“
„Nun, den werden wir wohl haben!“
„Mit wem?“
„Donnerwetter! Mit wem anders, als mit diesen Deutschen, an denen wir Rache für Sadowa zu nehmen haben!“
„Was geht uns Franzosen Sadowa an!“
„Du bist ein Dummkopf! Stehen wir nicht an der Spitze der Zivilisation oder –“
„Ja“, unterbrach ihn der andere lachend, „wir stehen an der Spitze der Zivilisation, denn du heißt Brecheisen, und mich nennt man Dietrich!“
„Mache keine albernen Witze! Selbst in unserem Handwerk sind wir den Deutschen weit überlegen. Der Deutsche ist ein Tölpel in jeder Beziehung. Er bekommt seine Weine und Moden, seine Seiden- und seine Lederwaren, seine Parfums und Odeurs, seine ganze Bildung von uns. Wir sind seine Herren. Er aber hat es gewagt, mit Österreich Krieg zu führen und Frieden zu schließen, ohne uns zu fragen. Er hat seitdem unsere Politik auf jede mögliche Art und Weise durchkreuzt. Wir wollen Rache für Sadowa, und er muß Haue haben! Ich sage euch, daß so etwas in der Luft liegt. Wohin man kommt, hört man von weiter
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