57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
nichts als von Depeschenwechsel und Krieg sprechen. Und macht man Augen und Ohren auf, so hört man nicht nur, sondern man sieht auch, daß überall eine gewisse Aufregung herrscht und daß allerlei heimliche Anstalten getroffen werden, welche sich nur auf den baldigen Ausbruch eines Krieges beziehen können.“
„Und steht das mit deinem alten Kapitän in Beziehung?“
„Natürlich. Er wird nämlich einer der Kommandanten der Franctireurs sein.“
„So muß man ihn kennenlernen. Wo wohnt er, und wie heißt er denn?“
„Er wohnt in Schloß Ortry bei Thionville und heißt Albin Richemonte. Er soll bereits ein steinalter Herr sein und die Kriege und Siege des ersten Kaiserreichs mitgemacht haben. Er ist ein Held der Kaisergarde und steht mit den höchsten Herrschaften des Hofes in Verbindung. Daher hat man ihm diesen Posten anvertraut. Er sendet jetzt geheime Emissäre umher, und einer dieser Leute hat mich beauftragt, Leute für ihn zu werben.“
„Alle Donner! Das klingt ja recht ernsthaft!“ rief Dietrich.
„Ernsthaft ist es auch! Dieser alte Kapitän soll irgendwo ein ungeheures Lager von Waffen und Munition bereits seit Jahren angelegt haben, und von Tag zu Tag wird es vervollständigt. Er hat in den nahen Departements bereits angeworben und nun, wie ich bereits sagte, seine Emissäre nach Paris geschickt, um weitere Teilnehmer zu engagieren. Jede Kompanie darf sich ihre Offiziere und Unteroffiziere selbst wählen, nur unter der Bedingung, daß das Oberkommando respektiert werde. Machen wir mit, so können wir Offiziere werden. Nach Stand und Vergangenheit wird nicht gefragt, auch nach dem Alter nicht; nur wird vorausgesetzt, daß sich allein tüchtige Kerls melden. Wenn ihr wollt, so werde ich den Emissär morgen mitbringen.“
„Bringe ihn mit! Bringe ihn mit!“ lautete die Entscheidung aller.
Auch der Changeur stimmte begeistert mit ein. Er hatte der Auseinandersetzung mit allergrößter Aufmerksamkeit gelauscht, und bei der Erwähnung, daß man sich seine Chargen selbst wählen könne, schien sich auf seinem lachenden Gesicht die Gewißheit auszudrücken, daß er bei seinen körperlichen und geistigen Vorzügen ganz sicher eine Offiziersstelle bekommen werde.
Es wurde noch einige Zeit lang über dieses Thema, über die Gewißheit, daß man bald Krieg haben werde, gesprochen, dann trat der Wirt, Vater Main, aus dem hinteren Raum ein. Er setzte sich zu seinen Gästen und nahm einige Minuten lang an deren Gespräch teil, dann aber gab er Sally einen heimlichen Wink.
Das Mädchen verstand ihn sofort, der Changeur hatte ihn auch bemerkt, tat aber so, als ob er gar nicht hingesehen habe.
Sally erhob sich und brachte ihrem Herrn ein Glas; dann nahm sie an dem Eckplatz, auf welchem sie sich vorher befunden hatte, ihren Sitz wieder ein. Der Changeur war überzeugt, daß dieses scheinbar ganz unabsichtliche Arrangement nur ihm allein gelte. Man wollte ihn vom Tisch entfernen.
Daß er richtig geahnt habe, zeigte sich in kurzem. Sally gab ihm einen Wink, sich zu ihr zu setzen. Er berechnete, daß es am klügsten sei, ihr zu folgen. Darum nahm er seinen Wein, verließ den Tisch und setzte sich zu ihr. Als er dabei einen heimlich forschenden Blick auf den Wirt warf, bemerkte er ein sehr befriedigtes Lächeln auf dem Gesicht desselben.
Aber auch Brechstange hatte den ganzen Vorgang beobachtet und verstanden. Er neigte sich zu dem Wirt herunter und fragte leise:
„Warum soll der Changeur von dem Tisch fort, Vater Main?“
„Jetzt nicht“, antwortete der Gefragte. „Er merkt es sonst, daß wir von ihm sprechen.“
Aber in diesem Augenblick traten mehrere neue Gäste ein. Sie setzten sich an einen anderen Tisch, wurden da von Sally bedient und sprachen dabei so laut untereinander, daß der Wirt nicht mehr befürchtete, von dem Changeur gehört zu werden, darum sagte er, zwar leise, aber doch so, daß er von den bei ihm Sitzenden gehört werden konnte:
„Ich traue ihm nicht.“
„Warum denn nicht?“ fragte der Dietrich.
„Er ist mir zu nobel. Er hat etwas an sich, welches mir sagt, daß er nicht zu uns gehört.“
„Oh, ich halte ihn im Gegenteil für ehrlich und sicher.“
„Ich möchte darauf schwören, daß du dich täuschst.“
„Er hat doch ganz aufrichtig zu verstehen gegeben, daß er Wechselfälscher ist! Und erst vorhin sagte er, daß er wieder sehr gute Geschäfte gemacht habe.“
„Damit kann er dich und euch täuschen, mich aber nicht. Trinkt meinetwegen mit ihm, so viel
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