58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
sein?“
„Schloßverwalter!“
„Der ist gestorben und heute begraben worden.“
„Hm, hm! Waren Sie mit bei diesem Begräbnis?“
„Ja. Ich habe die Reise nur deshalb unternommen.“
Es war ein eigentümlicher, verständnisinniger Blick, den er auf sie warf. Dann sagte er:
„Sie waren wohl mit Monsieur Berteu verwandt?“
„Er war unser Pflegevater. Hier ist meine Schwester.“
„Und wohin reisen Sie jetzt?“
„Wieder zurück. Vorher aber gehe ich mit meiner Schwester nach Schloß Ortry bei Thionville.“
„Ortry, hm! Mademoiselle, nehmen Sie einmal hier meine Hand! Ich mag Ihnen unbequem geworden sein; ich bitte Sie um Verzeihung. Es ist mir, als ob wir uns wiedersehen müßten, und zwar unter Verhältnissen, welche für Sie erfreuliche sein werden. Gute Nacht, und gute Reise!“
Er kehrte in sein Zimmer zurück und sah durch das geöffnete Fenster den Wagen abfahren. Dann entfernte er die Spuren der Zerstörung, welche er angerichtet hatte! Er war nämlich trotz seiner Müdigkeit vom Bett aufgestanden, um zu sehen, was es mit dem da unten stehenden Wagen für eine Bewandtnis habe, und dabei hatte er Madelon erkannt. Sie wollte abreisen, das hatte er gesehen; sprechen wollte er vorher mit ihr, und da er keine Zeit fand, sich anzukleiden, so hatte er schnell den Kalabreser aufgestülpt und die Decke vom Tisch gerissen, um sie als Nachtmantel um sich zu schlagen. Dabei aber hatte er alles, was auf dem Tisch stand, heruntergerissen. Als er dann am folgenden Morgen sein Portemonnaie suchte, fand er es in Gesellschaft mit dem goldenen Klemmer in demjenigen Geschirr, aus welchem man weder zu essen noch zu trinken pflegt. Er hatte beides mit vom Tisch herabgerissen.
Es war ein schöner Tag geworden, und Herr Hieronymus Aurelius Schneffke benutzte gleich den Vormittag, um zu Fuß nach Schloß Malineau zu wandern. Da er sich Zeit ließ, kam er erst um die Mittagszeit dort an.
Er war sich einer Art von diplomatischer Sendung bewußt, und da Diplomaten schweigsame Leute sein sollen, so ließ er sich, als er in der Schenke sein Mahl einnahm, mit dem Wirt in kein Gespräch ein, obgleich dieser sich Mühe gab, sich über die Naturgeschichte des dicken Männchens Aufklärung zu verschaffen.
Nach Tisch nahm er Mappe und Feldstuhl und spazierte nach dem Schloß. Es fiel ihm gar nicht ein, dasselbe zu betreten und seine Erkundigungen zu beginnen. Nach seiner Ansicht mußte man mit ihm selbst anfangen, und damit hatte er recht.
Er suchte sich also einen passenden Punkt, plazierte sich dort auf den Feldstuhl, öffnete die Mappe und begann zu zeichnen.
Es dauerte nicht lange, so kam ein junger Mann daher. Er näherte sich, grüßte und trat nach rückwärts, um einen Blick auf das begonnene Bild zu werfen.
„Ah, Sie sind Maler, Monsieur?“ fragte er.
„Ja“, nickte Schneffke.
„Sind Sie Franzose?“
Sollte er sagen, daß er ein Deutscher sei? Nein, das fiel ihm gar nicht ein.
„Pole.“
„Ihr Name?“
„Schneffka.“
„Zeichnen Sie das Schloß in irgendeinem Auftrag?“
„Nein, ich male nur zum Vergnügen.“
„Verzeihen Sie, daß ich so zudringlich frage. Mein Vater ist gestern beerdigt worden und hat uns einige kleine Gemälde hinterlassen, deren Wert wir nicht kennen. Ein wirklicher Künstler hat sich hier noch niemals sehen lassen. Darum wäre es mir lieb, wenn Sie mir erlaubten, Ihnen die Bilder einmal zu zeigen.“
„Wo befinden sie sich?“
„Im Arbeitszimmer meines Vaters. Mein Name ist Berteu. Würden Sie sich vielleicht einmal in meine Wohnung bemühen?“
„Meinetwegen.“
Er klappte seine Mappe zu, griff zum Feldstuhl und folgte dem Voranschreitenden nach der Verwalterwohnung. Er tat, als sei ihm an der Inkommodation gar nicht viel gelegen, freute sich aber doch im stillen über dieselbe.
Charles Berteu führte ihn in das Zimmer, in welchem er gestern über den Rechnungsbüchern gesessen, dann die Schwester empfangen und endlich auch die Unterredung mit dem Kutscher gehabt hatte.
Es hingen da drei kleine Landschaften, von Anfängern gemalt. Sie waren fast gar nichts wert, aber Hieronymus nahm doch eine Miene an, als ob es sich um nichts Unbedeutendes handle. Es war ihm darum zu tun, einen Tag oder einige Tage hier verweilen zu dürfen.
„Nun?“ fragte Berteu.
„Schade, sehr schade!“
„Wieso?“
„Ich taxiere das Stück auf durchschnittlich fünfhundert Francs.“
„Alle Wetter! Wirklich?“
„Das haben sie jedenfalls gekostet, vielleicht noch mehr. Man
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