Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan

59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan

Titel: 59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
mir und ihr verübt hat. Herr Doktor, darf ich sie sehen?“
    „Sie will nicht!“
    „Aber ich, ich will sie sehen!“
    „Ich gehorche.“
    „Wann also?“
    „Heute abend. Können Sie um Mitternacht das Schloß verlassen, ohne bemerkt zu werden?“
    „Wenn ich es will, so kann ich es. Wissen Sie, was ich tun werde?“
    „Ich ahne es.“
    „Nun?“
    „Sie werden mit Liama von Ortry fortgehen?“
    „Nein. Ich werde mit Liama in Ortry bleiben. Ich werde die Polizei der ganzen Umgegend in die Gänge dieses Schlosses führen; ich werde – – – ah, was werde ich tun! Ich weiß es selbst noch nicht!“
    Sie befand sich in einer unbeschreiblichen Aufregung. Und gerade jetzt kehrten die beiden Schwestern zurück.
    „Schweigen Sie!“ raunte Müller ihr leise zu; dann entfernte er sich.
    Als kurze Zeit später die drei Damen die Freitreppe hinabstiegen, kam der alte Kapitän gerade aus dem Stall. Er trat ihnen entgegen und fragte: „Du hat einen Brief bekommen?“
    „Ja.“
    „Von wem?“
    „Von der Person, die ihn geschrieben hat!“
    Diesen Ton hatte er von ihr noch nicht gehört, trotzdem sie sich in letzter Zeit öfters so kampfbereit gezeigt hatte. Und so hatten auch ihre Augen ihn noch nicht angeblitzt wie jetzt. Das war nicht allein Haß; das war eine förmliche Herausforderung. Er aber war nicht der Mann, sich in dieser Weise abweisen zu lassen. Er sagte:
    „Das versteht sich ganz von selbst. Eine solche Antwort mußt du einem Kind oder einem Irrsinnigen geben, aber nicht mir. Ich frage: Woher ist der Brief?“
    „Du wirst ihn kontrolliert haben!“
    „Nein. Ich bin ja überzeugt, daß du es sagen wirst!“
    „Du hast seit Kurzem immer Überzeugungen, welche sich später als hinfällig erweisen.“
    Sie wendete sich ab. Er faßte sie am Arm.
    „Halt! Wohin?“
    Da schleuderte sie seinen Arm von sich und antwortete:
    „Das geht Sie nichts an, Herr – – – Richemonte!“
    Sie ging, an ihrer Seite die beiden Schwestern. Er war wie an die Stelle gebannt; es schien ihm unmöglich, ein Glied zu bewegen. In seinem Innern kochte es. Der Atem wollte ihm versagen. Nur mit Mühe stöhnte er vor sich hin:
    „Ich ersticke! Was war das? Dieses Verhalten! Diese Worte! Diese Blicke! Was ist heute mit ihr? Sie muß eine Waffe gegen mich gefunden haben, sonst würde sie so einen Widerstand unmöglich wagen! Sie hat etwas vor! Wohin geht sie? Ich muß es erfahren!“
    Er rief den Stallknecht.
    „Hast du die Damen gehen sehen?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Wohin haben sie sich gewendet?“
    „Nach dem Wald.“
    „Du schleichst ihnen nach, um zu erfahren, wohin oder zu wem sie gehen! Aber wenn du es so dumm anfängst, daß sie dich bemerken, jage ich dich zum Teufel!“
    Damit wendete er sich ab und suchte sein Zimmer auf. In demselben schritt er ruhelos auf und ab. Die Minuten wurden ihm zu Ewigkeiten. Endlich kam der Knecht zurück.
    „Kerl, wo treibst du dich herum?“ herrschte ihn der Alte an. „Du mußt doch längst wissen, wohin sie sind!“
    „Nach Thionville ist es weit, Herr Kapitän!“
    „Ah, nach der Stadt sind sie?“
    „Ja.“
    „Du bist ihnen gefolgt?“
    „Ja. Sie wollten doch wissen, zu wem sie gehen würden.“
    „Nun, zu wem?“
    „Zu Doktor Bertrand.“
    „Schön! Es ist gut!“
    Er wandte sich ab, zum Zeichen, daß der Knecht sich entfernen solle. Dieser sagte aber:
    „Noch eins, Herr Kapitän!“
    „Nun?“
    „Wissen Sie, von wem die Damen erwartet wurden?“
    „Du hast es einfach zu melden, aber nicht mir Rätsel aufzugeben! Verstanden?“
    „Der Maler stand am Fenster.“
    „Welcher Maler?“
    „Der mit dem Grafen von Rallion kam. Ich habe mir den Namen nicht merken können.“
    „Haller?“
    „Ja, Haller hieß er!“
    „Unsinn. Dieser Maler ist weit, weit weg von hier.“
    „Er ist da, in Thionville, bei Doktor Bettrand. Er stand am offenen Fenster und begrüßte die Damen von Weitem.“
    „Mensch, du irrst dich!“
    „Ich kann es bei allen Heiligen beschwören!“
    „Wenn Haller wirklich nach Thionville käme, so wäre ich der erste, den er aufsuchte.“
    „Aber er war es wirklich!“
    Jetzt war es doch unmöglich, länger zu zweifeln. Was war das? Haller zurück, ohne zu ihm zu kommen? Das Verhalten Marions, welche vorher einen Brief erhalten, aber den Schreiber verheimlicht hatte? War dieser Brief von Haller, dem eigentlichen Grafen Lemarch? Hatte er sie darin zu Bertrand bestellt? Weshalb? Das mußte untersucht werden.
    „Spanne sogleich an!“

Weitere Kostenlose Bücher