59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
da sehr vorsichtig sein. Sind Beweise vorhanden?“
„Man will sie mir bringen.“
„Und wo sind die Kinder?“
„Jetzt in Ortry.“
„Was? Wie? In Ortry?“
„Ja. Der Herr Doktor Müller gab mir die Versicherung.“
„Wer mag das sein?“
„Oh, wenn Sie es hören, werden Sie sich wohl förmlich bestürzt fühlen.“
„Ist es denn gar so schrecklich?“ fragte sie lächelnd.
„Schrecklich nicht, aber – ahnen Sie denn nichts?“
„Wie könnte ich ahnen? Ich bin in Ortry nicht bekannt.“
„Aber grad die beiden Betreffenden kennen Sie.“
„Wohl kaum.“
„Ganz gewiß sogar. Bitte gnädiges Fräulein, denken Sie nach, zwei Schwestern – auf Ortry jetzt.“
Sie schüttelte langsam den Kopf.
„Wie alt?“ fragte sie dann.
„Achtzehn.“
Da hob sie den Kopf schnell empor. Glühende Röte bedeckte ihr Gesicht. Es war, als ob sie erschrocken sei.
„Doch nicht – etwa – Nanon und Madelon?“ fragte sie.
„Ja.“
„Das sind Ihre Töchter?“
Sie war außerordentlich bewegt. Sie trat an das Fenster und blickte stumm hinaus. Er sah, wie ihr Busen auf und nieder wogte, und das gab ihm einen Stich in das Herz. Er sah sehr jung aus. Er war auch eigentlich nicht alt; er hatte nur früh geheiratet. Er hatte gehofft, das Herz dieser Miß de Lissa zu gewinnen, und nun –? Schämte sie sich, dem Vater so großer Töchter, von denen sie die eine sogar Freundin nannte, ihre Teilnahme gezeigt zu haben?
Da drehte Miß de Lissa sich langsam wieder um. Ihr Gesicht war ernst, aber ruhig, und ihre Stimme klang vollkommen klar, als sie, ihm die Hand reichend, sagte:
„Ich gönne es Ihnen von ganzem Herzen, die Langverlorenen wiederzufinden. Beide sind wert, die Töchter eines solchen Mannes zu sein. Ich wünsche jedoch, daß sich Ihre Hoffnung nicht als trügerisch erweise.“
„Ich befinde mich in einer Spannung, in einer Aufregung, von welcher Sie keine Ahnung haben, gnädiges Fräulein.“
„Das läßt sich denken. Wissen die beiden Damen vielleicht bereits davon?“
„Bisher wohl nicht; aber es ist möglich, daß Herr Doktor Müller, welcher sie holen will, Ihnen mitteilte, warum sie zu Ihnen kommen sollen.“
„Warum begaben Sie sich nicht nach dem Schloß?“
„Eben der Herr Doktor riet mir davon ab. Ich sollte von dem Kapitän nicht gesehen werden.“
„Ach so! Dieser soll noch nicht wissen, daß Sie ihm entkommen sind?“
„So ist es.“
„Wie aber gerieten Sie in seine Gewalt?“
„Durch Verrat von seiner und Unvorsichtigkeit von meiner Seite. Darf ich Ihnen erzählen?“
„Ich bitte sogar darum!“
Er begann, ihr zu berichten, was geschehen war, seit er sie gestern verlassen hatte. Dann klopfte es, und Fritz trat ein.
„Nun?“ fragte Emma. „Wo ist der Maler?“
„Ich konnte nur ausfindig machen, wo er wohnt; zu treffen war er nicht. Ich habe aber anbefohlen, ihn sofort, sobald er zurückkehrt, nach hier zu schicken.“
Er erhielt einen Stuhl angewiesen, und nachdem er Platz genommen hatte, fragte ihn Deep-hill:
„Sie kennen also die beiden Schwestern genauer?“
„Nanon war mir bereits längere Zeit bekannt; Madelon aber sah ich erst vor Kurzem hier das erstemal.“
„Haben Sie sich öfters getroffen?“
„Zufällig, bei Spaziergängen. Kürzlich starb ihr Pflegevater. Sie reiste mit der Schwester zu seinem Begräbnis. Sie wollte diese Reise nicht ohne Schutz unternehmen, und da wurde mir die Ehre zuteil, die Damen begleiten zu dürfen.“
„War denn Gefahr zu befürchten?“
„Ja. Diese Befürchtung hat sich dann auch als sehr begründet bewiesen.“
„Was ist geschehen?“
„Wir haben ein kleines Abenteuer erlebt, welches ich Ihnen, bis der Maler kommt, erzählen kann.“
Er begann seinen Bericht, hatte denselben aber noch nicht bis zu Ende gebracht, als er durch einen sehr lauten Wortwechsel gestört wurde, welcher unten auf der Treppe in französischer Sprache geführt wurde.
„Nein! Sie dürfen nicht!“ rief eine Stimme. „Ich verbiete es Ihnen, Monsieur!“
„Mir verbieten? Du? Wurmsamenhändler, der du bist?“
„Pack dich zum Teufel!“ antwortete eine zweite Stimme.
„Es soll kein Fremder hinauf!“
„Ich bin kein Fremder, mein lieber Latwergenmeister!“
„Sie haben herabzugehen und das Haus zu verlassen!“
„Scher dich zu deinen Pillen, holder Salmiakgeist, sonst werfe ich dich zur Bude hinaus.“
„Das wollen wir sehen, Sie Grobian!“
„Pah! Ich stecke dich in eine Klistierspritze und spritze dich
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