59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
Wahrheit.“
Da lehnte sich der Offizier an den Tisch. Er hielt sich an demselben fest. Er zitterte.
„Mein Gott!“ stöhnte er. „Ich nicht – dein – Sohn! Ich – ich – – – o, mein Heiland!“
Da aber trat der Graf zu ihm, nahm seine beiden Hände und sagte in zärtlichem Ton:
„O doch, du bist mein Sohn; du bist und bleibst mein Kind. Du solltest nie erfahren, daß du von anderen Eltern seist. Nun aber dieser Mann gekommen ist, war es mir unmöglich, es zu verschweigen. Komm, setz dich nieder.“
Er zog ihn in einen Sessel nieder, nahm selbst auch Platz und erklärte ihm sodann:
„Es ist allerdings so, wie er sagte: Die Gräfin war durch die Geburt unseres einzigen Kindes außerordentlich angegriffen. Ihre Nerven litten; ihre Brust wurde krank. Sie mußte den Knaben mir überlassen, um ein anderes Klima aufzusuchen. Meine damaligen amtlichen Pflichten erlaubten mir nicht, sie zu begleiten. Da starb der Knabe. Ich wußte, daß sie seinen Tod nicht überleben werde, und mußte die Geliebte retten. Ich gab dem Diener Auftrag, mir einen anderen Knaben zu suchen.“
Der Rittmeister hörte diese Worte wie im Traum, wie von weitem.
„Und dieser Knabe war ich?“ fragte er.
„Ja.“
„Wer waren meine Eltern?“
„Arme Schuhmacherleute. Sie gaben dich sehr gern her und erhielten von mir eine Entschädigung.“
„O Gott, o Gott!“
„Fasse dich! Was du hörst, ist ja kein Unglück, sondern vielmehr ein Glück.“
„Verkauft haben sie mich, verkauft.“
„Sie waren arm. Sie wußten, daß dir dadurch ein Glück gegeben wurde, welches sie dir nicht bieten konnten.“
„Und doch kann ich den Gedanken nicht fassen, das Kind anderer Eltern zu sein, nicht dein – – – ah, nicht Ihr – Ihr – – – Ihr Sohn zu sein.“
„Unsinn, Unsinn! Was fällt dir ein!“ rief der Graf. „Es bleibt alles, wie es war. Du bist mein Sohn, mein Erbe. Daran wird nichts geändert.“
„Hast – – – hast du selbst mit meinen Eltern gesprochen?“
„Nein. Sie haben dich vollständig abgetreten. Ich hatte nichts mehr mit ihnen zu schaffen.“
Der Rittmeister stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Seine Brust arbeitete heftig. Endlich, nach einer langen Weile blieb er vor dem Grafen stehen und fragte:
„Es soll wirklich so bleiben, wie es ist?“
„Natürlich, natürlich!“
„Dann bin ich dir allerdings einen Dank schuldig, dessen Größe gar nicht zu ermessen ist. Vater, ich – – –!“
Er konnte nicht weitersprechen. Tränen entquollen seinem Auge. Er schluchzte wie ein Kind. Der Graf nahm ihn in die Arme, drückte ihn an sich und sagte:
„Beruhige dich, Bernard! Du bist mir stets ein guter Sohn gewesen. Du bist mir wert und teuer wie mein eigenes Kind. Wir bleiben die alten!“
„Aber welche Absicht führt diesen Mann hierher? Er sagt, daß der Diener mich von ihm bekommen habe!“
„Wollen sehen. Ich werde mich erkundigen. Bist du gefaßt genug, daß ich ihn rufen kann?“
„Rufe ihn.“
Der Graf öffnete die Tür und ließ den Bajazzo wieder eintreten. Er fragte ihn:
„Sie behaupten also, daß Main damals den Knaben von Ihnen bekommen habe?“
„Ja.“
„Er behauptete doch, das Kind von armen Schuhmacherleuten erhalten zu haben!“
„Er hat gelogen, um das Geld, welches Sie für die Eltern bestimmten, für sich zu behalten!“
„Hm! Dann waren Sie wohl der Vater?“
„Nein. Der Knabe war ein Findelkind.“
„Ah! So sind seine Eltern unbekannt?“
„Ja.“
„Wer hat ihn gefunden?“
„Ich.“
„Wo?“
„Im Wald. Ich befand mich damals auf der Wanderschaft. Ich wollte nach Paris. In den Ardennen fand ich im tiefen Schnee einen halb erfrorenen Knaben. Ich nahm ihn auf. Niemand wollte ihn mir wieder abnehmen. Ich behielt ihn bei mir und brachte ihn mit nach Paris. Da traf ich Ihren Diener, den Vater Main. Er sah den Jungen und nahm ihn mit.“
„Das wäre ja ein wunderbares Zusammentreffen der Umstände gewesen.“
„Allerdings wunderbar.“
„Ist denn seitens der Behörde nicht nachgeforscht worden, wer die Eltern des Knaben sein könnten?“
„Nein. Ich verstand die Sache nicht; ich kannte die Gesetze nicht. Ich hielt mich für berechtigt, das Kind als mein Eigentum zu betrachten.“.
„Vielleicht wurde es ausgesetzt.“
„Ich glaube doch eher, daß es verlorengegangen ist.“
„Haben Sie eine Ursache, dies anzunehmen?“
„Ja. Einem Kind, welches man aussetzt, nimmt man alles, wodurch seine Abstammung verraten
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