59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
Regimentsarztes. Wir bedürfen ärztlicher Kräfte. Sie sind der erste, dem ich Gelegenheit gebe, sich Ruhm und Ehre zu erwerben.“
Bertrand schüttelte nachdenklich den Kopf und sagte:
„Danke, Herr Kapitän! Ich muß ablehnen.“
„Ablehnen? Höre ich recht?“
„Ja, vollkommen.“
„Sie wollen auf die Ihnen angebotenen Lorbeeren verzichten?“
„Zu meinem Bedauern.“
„Aus welchem Grund?“
„Ich bin für diese Stadt verpflichtet. Mein Wirkungskreis ist mir angewiesen. Ich muß bleiben. Ich darf nicht fort.“
„Wer verbietet es Ihnen?“
„Mein Gewissen.“
„Das heißt: Sie wollen einfach nicht? Wie nun, wenn man Sie zwingt?“
„Wer will mich zwingen?“
„Ich zum Beispiel. Wir brauchen Ärzte.“
„Meine bisherigen Patienten brauchen mich ebenso!“
„Schön, schön! Fast scheint es wahr zu sein, was man sich über Sie in die Ohren flüstert?“
„Was?“
„Sie sind ein Feind des Vaterlandes. Sie verraten Frankreich.“
„Herr Kapitän, wenn mir das ein anderer sagte, den würde ich ganz einfach zur Tür hinauswerfen.“
„Nun, warum tun Sie dies nicht auch mit mir?“
„Ich achte Ihren Stand und Ihr Alter.“
„Diese Achtung will ich dadurch belohnen, daß ich Sie warne. Man hat scharfe Augen und Ohren. Es gelten jetzt die Kriegsgesetze und Kriegsartikel!“
„Ich habe mit ihnen nichts zu schaffen.“
„Hm. Man hat Sie beobachtet. Man ist in letzter Zeit sehr mißtrauisch geworden.“
„Ich kann nichts dafür.“
„Wirklich nicht? Haben Sie nicht mit diesem Doktor Müller verkehrt?“
„Ich lernte ihn in Ortry kennen. Sie selbst haben ihn mir vorgestellt. Das war eine Empfehlung für mich.“
„Er war in Undankbarer. Ferner haben Sie einen Menschen bei sich, welcher die ganze Gegend als Spion durchstreift.“
„Wer soll das sein?“
„Ihr Kräutersammler.“
„Er wurde mir von Komtesse Marion und ebenso von Mademoiselle Nanon empfohlen.“
„Diese beiden sind ebenso undankbar wie jener deutsche und bucklige Doktor der Philosophie. Wie hieß der Sammler?“
„Schneeberg.“
„Ein deutscher Name. Er war also ein Deutscher?“
„Ein Schweizer, glaube ich.“
„Wo befindet er sich gegenwärtig?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe ihn entlassen.“
„Daran haben Sie sehr recht getan. Sodann hat man jenen Amerikaner Deep-hill bei Ihnen gesehen.“
„Hoffentlich soll das kein Vorwurf für mich sein!“
„Dieser Mensch war ein Feind Frankreichs.“
„Auch ihn lernte ich bei Ihnen kennen.“
„Er wurde mir empfohlen. Man hatte mich getäuscht. Also Sie weisen mein Anerbieten wirklich von der Hand?“
„Sie meinen das militärärztliche Engagement?“
„Ja.“
„Meine Pflicht gebietet mir, auf dem Posten, an welchem ich mich befinde, auszuharren.“
„Mögen Sie das nicht bereuen! Sie machen sich durch diese Weigerung verdächtig. Man wird ein sehr wachsames Auge auf Sie haben.“
„Soll das eine Drohung sein?“ erwiderte Bertrand.
„Nein, sondern eine Warnung. Und noch eins: Was ist Ihnen von dem Aufenthalt meiner Enkelin bekannt?“
„Sie meinen Baronesse Marion?“
„Ja, natürlich.“
„Der Aufenthalt derselben muß doch Ihnen am allerbesten bekannt sein, Herr Kapitän.“
„Hm! Ja freilich! Aber Sie kennen ihn auch?“
„Nein.“
„Man hat nicht davon zu Ihnen gesprochen?“
„Die Leute sprachen, Sie haben Ihre Enkelin an einen sichern Ort gebracht, weil Sie die Verwirrung der jetzigen Zeit bereits damals vorausgesehen hätten.“
„Wer das sagt, hat nicht so ganz unrecht. Ich verlasse Sie jetzt, gebe es aber noch nicht ganz auf, Sie als Feldarzt bei meiner Truppe zu sehen.“
Er ging von dem Arzt bis zur Haustür begleitet. Als dieser in sein Zimmer zurückgekehrt war, sagte er zu sich:
„Horchen wollte er; aber er soll nichts erfahren. Es war klug von ihm, sich den Anschein zu geben, als ob er Marions Aufenthaltsort kenne. Die ist sicher aufgehoben.“
Er hatte eben wieder zu der Zeitung gegriffen, als es abermals an die Tür klopfte.
„Herein!“
Ein fremder Mensch trat ein, hoch und stark gebaut; sein Alter schien über fünfzig Jahre zu sein.
„Der Doktor Bertrand?“ fragte er.
„Ja. Womit kann ich dienen?“
„Mit nichts. Ich danke! Ich habe Ihnen Grüße zu sagen.“
„Von wem?“
„Von Mister Deep-hill in Berlin.“
„Ah! Der Tausend“, sagte der überraschte Arzt.
„Ebenso von Miß de Lissa und Nanon und Madelon.“
„Sie kennen dieselben?“
„Ja.“
„Aber, Mann, Sie
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