59 - Die Liebe des Ulanen 05 - Entscheidung in Sedan
kommen von Berlin und wagen sich in diese Gegend?“
„Was ist dabei?“
„Sie trotzen da einer sehr großen Gefahr. Sie befinden sich inmitten einer fanatisierten Bevölkerung.“
„Ich bin vorsichtig.“
„Aber von einem grüßen Sie mich nicht.“
„Wen meinen Sie?“
„Herrn Doktor Müller.“
„Der hat nicht nötig, Sie grüßen zu lassen.“
„Nicht? Wieso?“
„Na, bester Doktor, weil er vor Ihnen steht.“
Diese letzten Worte sprach der Fremde allerdings mit Müllers Stimme. Aber sein Gesicht war doch ein ganz anderes.
Der Arzt trat ganz nahe zu ihm heran, um ihn zu betrachten.
„Welch ein Meisterstück!“ rief er aus. „Ja, Sie sind es, Herr Doktor, oder vielmehr, Herr Rittmeister. Aber, um Gottes willen, fast hätten Sie ihn hier bei mir getroffen.“
„Den Alten?“
„Ja.“
„Er hätte mich nicht erkannt.“
„Haben Sie ihn gesehen?“
„Ja. Ich sah ihn eintreten und wartete auf sein Fortgehen. Spricht er von seinen Familienverhältnissen?“
„Nein. Er ließ mich ahnen, daß er wisse, wo Fräulein Marion sich befinde.“
„Doch nur zum Schein.“
„Ja. Aber, Herr Doktor, so schnell hätte ich nicht erwartet, Sie wiederzusehen.“
„Ja, ich mußte zurück, und zwar direkt zu Ihnen.“
„In privater Angelegenheit?“
„Nein, obgleich ich von allen die herzlichsten Grüße auszurichten habe.“
„Also in – in dienstlicher Angelegenheit?“
„Ja.“
„Ich hoffe, daß Sie mir Vertrauen schenken!“
„Darf ich das wirklich?“
„Ja. Sie wissen es ja genau. Sie sind mein Lebensretter. Ich bin Deutscher durch und durch, wenn auch nur Deutsch-Österreicher. Die Provinz, in welcher ich jetzt wohne, wurde Deutschland geraubt; sie ist deutscher Boden; der Krieg richtet sich nicht gegen Preußen, sondern gegen ganz Deutschland; und so mache ich mich keiner Infamie schuldig, wenn ich Sie nach Belieben schalten lasse.“
„Hier meine Hand. Sie sind ein braver Mann.“
„Dank! Sehen Sie sich hier in der Gegend um, oder blicken Sie in die Zeitungen. Überall Überhebung, Übermut und doch dabei die größte Dummköpfigkeit. Ich habe das zum Ekel. Und dabei kommt dieser Kapitän zu mir, um mich zum Regimentsarzt zu machen. Denken Sie sich.“
„In welchem Regiment?“
„Pah! Bei den Franctireurs.“
„Im Ernst?“
„Allen Ernstes.“
„Was haben Sie geantwortet?“
„Ich habe natürlich abgelehnt und dafür von ihm allerlei Drohungen anhören müssen.“
„Sie Ärmster.“
„Nun, seit ich Sie kenne, fürchte ich ihn nicht. Ich habe ja sehr scharfe Waffen gegen ihn in den Händen.“
„Wenn er sich nach Ärzten umsieht, scheint er es sehr eilig zu haben.“
„Auf mich mag er verzichten.“
„Die Wahrheit zu sagen, liegt mir außerordentlich daran, zu erfahren, wann die Institution der Franctireurs in Kraft treten soll.“
„Das kann ich Ihnen glücklicherweise mitteilen. Das Heer soll schleunigst an die Grenze geworfen werden. Da wären die Herren Freischützen im Weg. Sie sollen aus diesem Grund erst hinter dem Heer aus der Erde wachsen. Bis das letztere die Grenze überschritten hat, wird ein jeder zu Hause bleiben.“
„Nun, da wird mir das Herz leicht, denn ich weiß, daß die hunderttausend Franctireurs, von denen die französische Fama prahlt, gar nicht zur Aktion kommen werden – einige wenige ausgenommen, deren man sich wohl erwehren wird.“
„Wirklich?“
„Ganz gewiß. Man spielt den Krieg in Feindes Land, das ist richtig. Aber ehe ein Franzose über die Grenze kommt, sind wir bereits über seine Schwelle.“
„Das sollte mich freuen, ist aber nach allem, was man hier liest und hört, ganz unmöglich. Preußen ist nicht gerüstet, und die anderen Deutschen sind es auch nicht, sagt man hier.“
„So sehen Sie doch gefälligst mich an. Bin ich nicht ein Preuße?“
„Ein sehr respektabler sogar.“
„Und stehe ich nicht bereits in Frankreich? Passen Sie auf, wie schnell das gehen wird. Durch unser schnelles Einrücken kommen wir nicht nur der feindlichen Absicht zuvor, sondern wir zertreten auch zugleich dem giftigen Gewürm der Franctireurs den Kopf.“
„Ich ahne, Sie kommen wegen der Vorräte, welche sich hier befinden, so schnell zurück?“
„Ja. Und da habe ich eine Bitte an Sie auszusprechen.“
„In Gottes Namen.“
„Es wird ein Freund von mir hier ankommen und sich Ihnen vorstellen.“
„Er ist mir willkommen. Wie heißt er?“
„Irgendwie; ich weiß es noch nicht. Ich bitte um Ihre
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