600 Stunden aus Edwards Leben
Es muss einen ganzen Zweig in der Farbindustrie geben, der sich nur der Erfindung neuer Farbtöne und -kombinationen verschrieben hat, und ich wünsche mir augenblicklich, ich hätte mir vorher ein paar Möglichkeiten im Internet angesehen. Ich ärgere mich über mich selbst, dass ich darauf nicht gekommen bin.
Der Mann in der Malerabteilung, der mir eigentlich helfen soll, ist überhaupt keine Hilfe. Er stellt viele Fragen, schneller, als ich sie beantworten kann, und er spricht von Sachen wie Atmosphäre, die mir egal sind. Ich will einfach nur die richtige Farbe finden.
»Lassen Sie mich in Ruhe«, sage ich.
Der Farbenmann entfernt sich kopfschüttelnd.
Haben Sie gewusst, dass es die Vereinsfarben aus der
National Football League
als Anstreichfarben gibt? Das fasziniert mich. Ich mag die Dallas Cowboys, aber ich denke nicht, dass ich ihre Farben an der Garage haben möchte. Ich werde mir ein Projekt überlegen müssen, bei dem ich die Farben der Dallas Cowboys einsetzen kann. Das würde ich wirklich gern machen, irgendwann, wenn ich mit der Garage fertig bin.
Nachdem ich ein paar Minuten lang die Farbmusterkarten studiert habe, wird klar, dass die Anstreichsituation hoffnungslos ist. Ich kann mich für keine Farbe entscheiden und spüre, wie in mir der Drang hochsteigt, die Musterkarten von der Wand zu reißen. Ich schließe die Augen, wie es mir Dr. Buckley für solche Situationen geraten hat, und versuche zu atmen. Dr. Buckley sagt, wenn ichmich von meinem Ärger übermannt fühle, soll ich nachdenken, bevor ich handle, und den Weg finden, der mich vom Ärger wegführt.
Dr. Buckley ist ein sehr logischer Mensch. Ich tue, was sie mir empfohlen hat, und mein Weg wird klar.
Ich gehe zu dem nicht behilflichen Mann zurück und sage: »Ich hätte gern je zwölf Liter Behr Mokkabraun, Behr Petersiliengrün und Behr Perlgold.«
Während der nicht behilfliche Mann die erforderlichen Zutaten holt, um meine Farben zu mischen, schüttelt er wieder den Kopf.
Dr. Buckleys Wartezimmer gefällt mir. Die Wände haben dunkles Holzpaneel, und die Beleuchtung finde ich beruhigend. Dr. Buckley lässt dort auch sanfte Musik laufen. Ich bevorzuge Rockmusik – am liebsten höre ich R.E.M. und Matthew Sweet –, aber ich denke, wenn Dr. Buckley Matthew Sweet spielen würde, würde das einigen ihrer Patienten nicht gefallen. Matthew Sweet hat einen Song, der »Sick of Myself« heißt, und ich bin ziemlich sicher, dass ein Song darüber, dass man »sich selbst satthat«, genau der falsche für das Wartezimmer einer Therapeutin wäre.
Ich versuche immer, mindestens zehn Minuten vor meinem Termin um 10:00 Uhr da zu sein, aber ich kann im Voraus nie genau wissen, wann ich dort ankommen werde. Das hängt von Dingen wie Ampeln ab und der Ungewissheit, wo auf dem Parkplatz ich eine Parklücke für mein Auto finde. Einmal habe ich Dr. Buckley gefragt, ob ich meinen eigenen Parkplatz haben könne, aber sie hat mir versichert, das sei nicht möglich.
Ich komme aus zwei Gründen früher: Erstens helfen mir, wie ich schon sagte, die Beleuchtung und das Holzpaneel und die sanfte Musik, ruhig zu werden. Zweitens bringen die anderen, weniger organisierten Patienten von Dr. Buckley permanent die Zeitschriften in Unordnung. Manchmal brauche ich die vollen zehn Minuten, um die Zeitschriften nach Titel und Erscheinungsdatum zu sortieren. Ich würde das ja gern
nach
unserem Termin machen, wenn ichmehr Zeit habe, aber Dr. Buckley möchte nicht, dass ihre Patienten danach noch länger dableiben.
Heute sind die Zeitschriften allerdings nicht so sehr durcheinander, und so bleiben mir drei Minuten, um einfach nur dazusitzen und Musik zu hören.
Als Dr. Buckley aus ihrem Sprechzimmer kommt, um mich hereinzubitten, sehe ich auf meine Digitaluhr, und es ist 9:59:28 Uhr. Ich sage Dr. Buckley, die Zeit für meinen Termin sei noch nicht ganz gekommen, und so starren wir uns zweiunddreißig Sekunden lang an.
Meine Gespräche mit Dr. Buckley laufen nach einem bestimmten Muster ab. Sie stellt jede Woche viele derselben Fragen, aber nicht in öder Routine. Sie interessiert sich für meine Antworten. Dr. Buckley ist sehr professionell, und sie ist ein sehr logischer Mensch.
»Wie war Ihre Woche, Edward?«
»Sehr gut, denke ich. Meine Daten sind vollständig, und bevor ich heute hierherkam, habe ich Anstreichfarbe für die Garage gekauft.«
»Ist es dafür nicht schon etwas spät im Jahr?«
»Die zehntägige Wettervorhersage sieht gut aus.«
»Sie
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