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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wille sogleich da! Also wieder lächeln! So! Jetzt die Verbeugung! Noch besser! Rundum!“
    Das Exerzitium wurde so oft wiederholt, bis der Herr des Knaben zufriedengestellt war.
    „So!“ sagte er dann. „Jetzt wollen wir die Pyramide probieren.“
    Da überlief den Kleinen ein eisiger Schauer.
    „Oh, nicht die Pyramide!“ bat er flehend.
    „Nicht? Ah! Warum nicht, Nichtsnutz?“
    „Ich fürchte mich so sehr!“
    „So, so! Warte, diese Furcht will ich dir sogleich austreiben! Fürchtest du dich wirklich?“
    „Ja! Sehr!“
    „Hier!“
    Die Peitsche fuhr mit einem gewaltigen Hieb auf den Kleinen nieder. Dann fragte sein Henker:
    „Fürchtest du dich noch?“
    „Es ist so hoch!“ weinte der Knabe, aber nicht laut, sondern gewaltsam unterdrückt, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen.
    „So machen wir es tiefer! Nicht hinauf, sondern von oben herab! So, wie jetzt!“
    Ja, von oben herab sauste die Peitsche nieder.
    „Ist's noch zu hoch?“ brüllte dann der Mann.
    „Nein!“ jammerte der Kleine.
    „Fürchtest du dich noch?“
    „Nein!“
    „Endlich! Ja, die Peitsche hilft! Na, vorwärts also, Bursche!“
    Er stellte sich mit gespreizten Beinen hin, und die beiden anderen traten hinzu. Sie balancierten sich auf seine Schultern und standen nun, je einer mit einem Bein auf seiner Achsel und mit dem anderen auf seinem Kopf.
    „Nun der Junge!“ kommandierte er. „Aufgepaßt! Gib die Hände her, Nichtsnutz!“
    Er ergriff die Händchen des Knaben und schwang ihn empor. Dort wurde der Kleine von den beiden anderen erfaßt und noch höher geschwungen. Er sollte auf ihren Achseln stehen. Aber man hatte die Höhe des Raumes nicht berechnet; es gab nicht den nötigen Platz mehr für das Kind; es flog mit dem Kopf an die Decke und stürzte herab.
    Die beiden Burschen sprangen zu Boden und bückten sich zu dem Kleinen nieder. Der Beherrscher der Truppe aber ergriff die Peitsche, welche er fortgelegt hatte, und schrie:
    „Weg! Fort von ihm, ihr Naseweise! Den Kerl kenne ich! Er hat es mit Fleiß getan! Ich werde ihn aber sogleich wieder lebendig machen!“
    Er schlug zu. Der Knabe war glücklicherweise weder verletzt noch ohnmächtig. Er war nur vor Schmerz und Schreck regungslos liegengeblieben. Bei dieser erneuten Züchtigung stand er auf.
    „Willst du das wieder tun?“ fragte der Barbar.
    „Nein“, erklang es jammernd.
    „Das will ich mir auch ausbitten! Aber damit du nicht sogleich wieder auf diesen Gedanken kommst, werde ich dir einen Denkzettel auf den Rücken geben!“
    Er faßte den Knaben beim Haar und schlug auf ihn ein. Keiner der Anwesenden bemerkte, daß sich die Tür geöffnet hatte. Dort erschien ein Mann. Er war nicht groß und nicht klein, nicht alt und nicht jung und trug eine blaue Brille, was ihm mit Hilfe des Schnittes seines Anzuges das Aussehen eines Gelehrten gab.
    „Was geht hier vor?“ fragte er, einige Schritte herbeitretend.
    Sie wendeten sich alle nach ihm um. Der Direktor der ‚Künstlertruppe‘ maß den Fremden mit zornigen Blicken und sagte:
    „Geht Ihnen das vielleicht etwas an?“
    „Natürlich!“ antwortete der Gefragte. „Haben Sie vielleicht einmal etwas von Tierschutzvereinen gehört?“
    „Wozu diese alberne Frage?“
    „Sie ist hier sehr am Platz! Wenn ich sehe, daß ein Tier mißhandelt wird, so habe ich nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, den Täter anzuzeigen, und er wird bestraft. Ist dies bei einem bloßen Tier der Fall, so habe ich, wenn ich sehe, daß ein Mensch grausam behandelt wird, das doppelte Recht und die erhöhte Verpflichtung, mich um den Fall zu kümmern.“
    Der Künstler, welcher ja eine wahrhaft riesige Gestalt besaß, musterte den Sprecher mit einem höchst verächtlichen Blick von oben herab und fragte:
    „Was hat das mit Ihrer Anwesenheit zu tun?“
    „Ich befand mich im Gastzimmer und hörte ihr Gebrüll, nebst den Schlägen, welche fielen.“
    „Was geht das Sie an? Wollen Sie etwa auch Prügel haben?“
    Der Fremde erwiderte den musternden Blick des Riesen. Er schien irgend etwas Bekanntes in den Zügen desselben entdeckt zu haben.
    „Davon kann wohl keine Rede sein“, antwortete er leichthin. „Ich las in dem Blatt Ihre Annonce. Sie heißen Bormann?“
    „Geht auch das Sie etwas an?“
    „Hm! Man kann ja fragen. Ob man eine Antwort bekommt, ist freilich abzuwarten. Haben Sie einen Bruder in der Residenz?“
    „Ich sage Ihnen, daß Sie sich um andere Dinge kümmern sollen als um meine

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