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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihr dem Kleinen ein-, zwei-, dreimal von unten herauf über den fest angespannten Unterleib. Das Kind schloß die Augen und zuckte nicht.
    „Hund! Du willst wohl gar tun, als ob du schon krepiert wärst? Ich werde dich lebendig machen! Warte! Wie ist's? Tun dir die Glieder weh?“
    Der Kleine antwortete nicht. Der Unmensch versetzte ihm noch mehrere Hiebe und drohte dabei:
    „Ich schlage so lange, bis du redest! Tun dir die Glieder weh?“
    „Nein“, stöhnte der Gemarterte.
    „Laut!“
    „Nein!“ versuchte das Kind in soviel wie möglich gewöhnlichem Ton zu sagen.
    „Das ist dein Glück, du Wechselbalg! Ich hätte dich zu Fetzen zerhauen!“
    Seine Frau war hinter ihm eingetreten und sagte:
    „Willst du ihn nicht losmachen? Er hängt bereits seit drei Stunden hier. Das muß doch genug sein?“
    „Für die Oberschenkel eigentlich nicht. Er muß ein Kautschukmann werden, wie es noch nie einen gegeben hat. Ich habe ihn gekauft und will Geschäfte mit ihm machen. Eigentlich sollte er noch zwei Stunden hängen, fünf Stunden täglich, wie bisher immer; aber da er heute abend mitarbeiten soll, so wollen wir ihn losmachen. Er mag ein halbes Stündchen ausruhen, und dann wollen wir probieren, ob die Pyramide noch geht.“
    Der Kleine wurde von seinen Stricken, Banden und Steinen befreit. Er lag wie leblos auf der Diele. Der Mann stieß ihn mit dem Fuß von sich und ging hinaus; die Frau hockte sich zu ihm nieder und brachte ihr Ohr dem Mündchen nahe, um dem Atem zu lauschen.
    „Mutter, meine gute Mutter!“ flüsterte der Kleine.
    „Ja, ich bin deine Mutter“, antwortete sie in einer Art von Gefühlsregung.
    Da schlug er matt die Augen auf, schüttelte den Lockenkopf und sagte leise und mit sichtlicher Anstrengung:
    „Nein; du bist meine Mutter – meine Mutter nicht. Ihr habt – habt mich gekauft.“
    „Aber doch bin ich nun deine Mutter!“
    „Nein! Meine Mutter ist – eine Waschfrau und mein Vater ist ein – ein Holzhacker. Er hat sich – sich in das Bein gehackt, und wir hatten Hunger. Da, da kam der fromme Mann, und ich – ich wurde – wurde verkauft.“
    „Nun ja! Nun gehörst du uns und mußt uns gehorchen.“
    Er schüttelte das Köpfchen und entgegnete, indem in seine Augen dicke Tränen traten:
    „Ich will zu meinem Vater und – zu meiner Mutter!“ Und vor Angst leise, ganz leise fügte er hinzu: „Mich friert – mich hungert – ich habe Durst – oh, mein Kopf, mein Leib, meine Arme, meine Beine!“
    „Schweig um Gottes willen! Sonst kommt er und hängt dich wieder auf! Zu deinem Vater und deiner Mutter kannst du nicht mehr, die sind gestorben, die liegen im Grab.“
    „Im Grab. Hat man da auch Hunger?“
    „Nein.“
    „Bekommt man da auch Schläge? Wird man da auch zusammengebunden zum Kautschukmann?“
    „Nein.“
    Da verschwand der Ausdruck der Schmerzen aus seinem Gesicht; ein glückliches Lächeln trat an die Stelle desselben, und das Kind flüsterte:
    „So will ich auch in das Grab, wo der Vater und die Mutter sind.“
    Was mußte das arme, unschuldige Kind erduldet haben, daß es sich nach dem finsteren Loch sehnte, vor welchem es ein jedes andere Kind fröstelt und schauert?
    „Komm her!“ sagte die Frau. „Hier ist Nordhäuser. Ich will dich einreiben; dann schmerzen dir die Glieder nicht mehr.“
    Sie tat das; aber man sah es dem Kleinen an, wie höchst qualvoll ihm das war. Sein ganzes Körperchen war voller Striemen und Schwielen.
    Nach einiger Zeit wirkte die Einreibung aber doch; denn er vergaß für einige Augenblicke die Schmerzen und sagte:
    „Mich hungert! Ich kann nicht mehr warten.“
    Da ging sie hinaus und kehrte mit einer Handvoll gekochter Rübenstückchen zurück. Er verschlang dieselben mit der Gier eines Raubtieres.
    „Noch mehr!“ bat er.
    „Um Gottes willen! Nein! Erst mußt du noch turnen!“
    Er schrak sichtlich zusammen und fragte:
    „Turnen soll ich noch? O Gott!“
    „Ja. Heute abend haben wir Vorstellung vor vornehmen Herrschaften; da wird die hohe Pyramide gemacht, und du mußt oben darauf.“
    „Das ist so hoch! Muß ich da auch Komplimente machen?“
    „Natürlich!“
    „Und lächeln?“
    „Ja freilich!“
    „O Christus! Was werde ich da vorher wieder für Schläge erhalten!“
    Da rief der Direktor außen:
    „Na, seid ihr fertig? Heraus mit dem Jungen!“
    Der Kleine erhob sich zitternd vom Boden und eilte trotz seiner malträtierten, schmerzenden Gliederchen so schnell wie möglich hinaus, wo der Herrscher

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