61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
Menschen in Ihrem Haus sich bewegen sehen, so brauchen Sie nur leise das Wort ‚Fürst‘ zu ihm zu sagen; antwortet er ‚des Elends‘, so bin ich es. Es ist das gewisser Vorkommnisse wegen. Teilen Sie das auch den Ihrigen mit!“
„Fürst des Elends? Ah, kennen Sie ihn vielleicht?“
„Ja. Ich bin sogar in seinem Auftrag hier.“
„Wirklich? Herrjeses, ist das eine frohe Überraschung! Vielleicht bekommen wir da hier den mächtigen, geheimnisvollen Herrn auch einmal zu sehen?“
„Sehr wahrscheinlich, aber nur, wenn Sie die größte Verschwiegenheit beobachten.“
„Daran werden wir es gewiß nicht fehlen lassen.“
„Das erwarte ich. Jetzt gehe ich. In vielleicht einer Stunde bin ich wieder da. Es würde mir lieb sein, wenn dann mein Zimmer bereitstände. Ich will da ein wenig schlafen und gehe erst am Abend wieder fort.“
Er ging. Jetzt endlich konnte der Wirt ihn über die Straße schreiten sehen. Sein Weg führte ihn nach dem Gerichtsamt, wo er sich nach dem Beamten erkundigte, welcher die Untersuchung gegen den Schreiber Beyer und dessen Tochter zu führen hatte. Da derselbe gerade nicht bei einem Verhör beschäftigt war, so wurde Arndt sogleich vorgelassen.
Der Aktuar betrachtete den Eintretenden, bot ihm einen Stuhl und fragte dann:
„Was wünschen Sie?“
„Ich komme in der Angelegenheit des Schreibers Beyer, welcher gestern hier eingeliefert wurde.“
„Haben Sie vielleicht etwas für oder gegen ihn zu den Akten zu geben?“
„Nein. Ich möchte mir nur die Erkundigung gestatten, ob er und seine Tochter nicht auf Handgelöbnis entlassen werden könnten.“
Das Auge des Beamten ruhte wieder forschend auf dem Sprecher; dann fragte er:
„Welches Interesse haben Sie dabei?“
„Ein rein menschliches, kein persönliches.“
„Wer sind Sie?“
„Erlauben Sie mir, Ihnen dies noch zu verschweigen! Aber fragen möchte ich dürfen, ob Sie wissen, was gestern nach der Abführung der beiden Gefangenen geschehen ist?“
„Die Frau ist gestorben.“
„Das ist das eine. Und das andere?“
„Das eine ist höchst traurig und das andere im höchsten Grad interessant. Der sogenannte Fürst des Elends soll beim Pfarrer gewesen sein, und zwar im Interesse der betreffenden Familie.“
„Soll? Er ist wirklich dagewesen!“
„Ich erfuhr es nicht amtlich, sondern nur gesprächsweise.“
„Ich komme in seinem Auftrag.“
Da fuhr der Aktuar vom Stuhl auf.
„Im Auftrag des Fürsten des Elends?“
„Ja, mein Herr.“
„So kennen Sie ihn?“
„Ich habe keine Erlaubnis, mich über diesen Punkt zu äußern. Vielleicht bin ich ein Diener von ihm oder einer seiner Agenten. Er hat mich beauftragt, die vorhin ausgesprochene Frage an Sie zu richten.“
„Welchen Grund hat er dazu?“
„Wie ich bereits sagte, einen rein menschlichen. Er fühlt inniges Mitleid mit der Familie.“
„Wissen Sie, daß ich Ihnen nicht zu antworten brauche?“
„Ich weiß das, hoffe aber dennoch, eine Antwort zu erhalten.“
„Oder daß ich Sie für verdächtig erklären und infolgedessen festhalten könnte?“
„Wer sich für Untersuchungsgefangene interessiert, kann allerdings verdächtig erscheinen. Von einem Festhalten aber ist keine Rede. Hier meine Legitimation!“
Er zog eine Karte hervor, welche nur die Worte enthielt: ‚In meinem Auftrag‘. Darunter aber stand der wohlbekannte Namenszug und das Siegel des Justizministers.
„Das ist allerdings etwas anderes, mein Herr!“ sagte der Aktuar, indem er die Karte mit einer tiefen Verbeugung zurückgab. „Ich vermute also in Ihnen einen Kollegen?“
„Vielleicht vermuten Sie nicht unrichtig. Also bitte, die Antwort auf meine Frage.“
„Hm! Nach dem, was das erste Verhör ergeben hat, sind beide Gefangene schuldig.“
„Welcher Verbrechen oder Vergehen?“
„Er des Widerstands gegen die Staatsgewalt, und sie des Diebstahls, vielleicht nicht einmal des einfachen. Das Mädchen kann auf keinen Fall entlassen werden, wenigstens nicht, bevor die Zeugen vernommen sind.“
„Aber der Vater?“
„Er ist geständig; er hat vor Aufregung nicht recht gewußt, was er tat. Er könnte gegen eine Kaution entlassen werden.“
„Wie hoch würde dieselbe sein?“
„Ich müßte mit dem Vorstand sprechen, glaube jedoch, daß hundert Gulden genügen werden. Wünschen Sie, daß ich diese Erkundigung einziehe?“
„Ich bitte darum.“
„Wie soll ich Sie nennen, wenn ich nach Ihrem Namen gefragt werde?“
„Nennen Sie mich gar nicht, sondern
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