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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dame!“
    Er stieg die Treppe wieder hinab. Das Mädchen trat wieder zurück. Hinter ihr fragte die Stimme einer zweiten:
    „Wer war der hübsche Junge?“
    „Der Bruder von Marie, der Neuen. Wo ist sie?“
    „Mit dem Leutnant im Salon.“
    „Das ist gut! Sie darf es nicht wissen, daß nach ihr gefragt wird.“
    „Warum nicht? Die reißt uns nun nicht mehr aus. Der Bär, welcher Honig geleckt hat, geht nicht vom Baum weg!“
    Von diesem Gespräche hatte Bertram keine Ahnung. Er ging von da nach der Wasserstraße zu dem Juden Salomon Levi. Er wurde mit größter Freundlichkeit empfangen und in das zweite Stübchen geführt.
    „Kommt der Herr Bertram, wieder zu besuchen Judith, meine Tochter?“ fragte der Alte.
    „Nein“, antwortete der Gefragte. „Ich komme, um meine Schuld abzutragen.“
    „Ist geworden der Herr so plötzlich reich? Aber ich muß dennoch rufen meine Tochter. Sie ist es, welche geborgt hat das Geld; sie soll es auch nehmen in Empfang.“
    Das war Bertram keineswegs lieb, doch konnte er nichts dagegen tun. Als Judith eintrat, grüßte sie ihn mit ausgesuchter Freundlichkeit und streckte ihm die Hand entgegen. Er erwiderte diesen Gruß ebenso freundlich, ging aber auf kein Gespräch ein, obgleich sie sich Mühe gab, ein solches anzuknüpfen, sondern blieb bei dem einfachen Zweck seiner Gegenwart.
    „Aber, mein Herr“, sagte sie, sichtlich enttäuscht, „ist das denn gar so eilig? Ich brauche das Geld nicht!“
    „Und dennoch bitte ich, es zurückzunehmen. Schulden drücken.“
    Es ging wie ein Blitz über ihr Gesicht. Sie zuckte gleichmütig die Achsel und antwortete:
    „Ganz wie Sie wollen. Ich hatte gedacht, daß Sie das kleine Darlehen anders betrachten würden; ich hatte auch geglaubt, Sie öfters bei uns zu sehen –“
    „Entschuldigung! Meine Zeit wird von meinen Studien so in Anspruch genommen sein, daß ich wohl nicht in die Lage kommen werde, Sie zu belästigen.“
    „So! Dann zählen Sie auf!“
    Er legte das Geld hin. Sie zählte nach und sagte dann zu ihrem Vater:
    „Die Kette! Du hast sie doch gut verschlossen gehabt?“
    „Sie liegt noch so, wie ich sie in das Pult gelegt habe. Hier, Herr Bertram. Es ist doch die Ihrige?“
    Bertram öffnete das Schächtelchen, in welcher sie ihm hingereicht wurde, warf einen kurzen Blick darauf und sagte:
    „Ja, sie ist es. Nehmen Sie meinen Dank!“
    Er verabschiedete sich und ging, um sich nach dem Haus Nummer elf zu begeben.
    Draußen vor der Tür wäre er fast von einem riesengroßen Menschen umgerannt worden, welcher vorübertaumelte. Dieser war der Bruder des Riesen Bormann; er befand sich im Zustand ziemlicher Betrunkenheit und hatte seine Richtung nach dem offenen Platz zu genommen, auf welchem der Zirkus stand. Dort angekommen, blieb er stehen und horchte. Aus der Manege erklang das laute Klatschen von Peitschen.
    „Sie arbeiten“, brummte er. „Will doch einmal hinein!“
    Er war als Künstler, als ‚Kollege‘ bekannt und fand ungehindert dort Zutritt. Er sah einige Zeit den Übungen zu, ging dann in den Stall, um sich die Pferde anzusehen, und wollte sich dann entfernen, als er dem Direktor in den Weg lief.
    „Bormann!“ sagte dieser. „Alle Teufel, Sie? Wie geht es?“
    „Gut!“ lautete die Antwort.
    „Hm! Das ist eine Seltenheit! Ihre Verwandtschaft ist sonst nicht sehr vom Glück begünstigt!“
    „Zielen Sie auf meinen Bruder?“
    „Auch mit. Wie steht es mit dem?“
    „Irrenhaus! Er ist verrückt.“
    „Ich hörte es. Und Sie? Was treiben Sie?“
    „Jetzt noch nichts; aber ich fange nun an zu arbeiten.“
    „Unter welcher Direktion?“
    „Unter meiner eigenen.“
    „Sie wollen wieder einmal selbst dirigieren?“
    „Ja.“
    „Und eine Truppe bilden? Haben Sie denn Geld dazu?“
    „Wen geht das etwas an?“
    „Richtig! Mich nicht. Aber, da fällt mir ein: Brauchen Sie vielleicht Personal?“
    „Nein.“
    „Schade. Ich hätte etwas für Sie.“
    „Was?“
    „Einen Jungen. Habe ihn erst kürzlich bekommen und ein Heidengeld bezahlt. Da stürzt mir der Bengel vom Pferd und bricht ein Bein. Er wird zwar wieder gesund, aber bis dahin habe ich ihn doch daliegen. Ich mag ihn nicht mehr sehen!“
    „Wer sind seine Eltern?“
    „Das geht Sie nichts an!“
    „Zeigen Sie!“
    „Kommen Sie!“
    Er führte den Betrunkenen nach der hintersten Ecke des Stalls; dort lag auf Stroh der hübsche Knabe, den er durch den frommen Seidelmann erhalten hatte. Das Kind sah schrecklich bleich aus und wimmerte

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