Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
werden!“
    „Was daraus werden soll? Na, das, was bereits daraus geworden ist: Der Bürgermeister hat einen Fuhrmann gemietet, und der Beyer ist mit seiner Tochter unter der Bedeckung des Gendarmen nach der Amtsstadt transportiert worden.“
    „Und seine Frau, das arme, kranke Wesen, wie wird sie das Unglück aufnehmen? Sie wird es nicht verwinden können!“
    „Pah, sie hat es bereits verwunden! Man kennt ja die Menschheit! Als die beiden Gefangenen im Schlitten sitzen und die Pferde sich in Bewegung setzen, setzen sich auch die Maulaffen in Bewegung. Und wohin? Natürlich nach Beyers Wohnung! Nicht etwa in schlechter Absicht! O nein! Trösten wollen sie, einem etwaigen Unglück vorbeugen wollen sie, weiter nichts! Diese Menschheit ist so gut, so liebevoll, so zuvorkommend! Und da stürzen sich nun ein halbes Dutzend solcher Klatschbasen zu der Kranken in die Stube und schreien ihr vor, daß ihr Mann in Ketten und Banden als Dieb und Hehler mit der Tochter fortgeschafft worden sei.“
    „Die Unvorsichtigen! Herr Jesus, was wird da geschehen!“
    „Was soll denn da geschehen? Nichts weiter natürlich, als daß die arme Frau vom Lager auffährt und einen entsetzlichen Schrei ausstößt. Sie fährt sich mit den Händen nach dem Herzen, der Atem geht ihr aus, das Gesicht wird erst rot und dann braun, und dann, nun ja, dann ist sie eben eine Leiche. Ganz recht! Warum ist sie die Frau eines Hehlers und die Mutter einer Spitzbübin!“
    Frau Barbara schlug die Hände über dem Kopf zusammen und brach in ein lautes Weinen aus. Der Förster sprang von seinem Stuhl auf und lief mit langen, dröhnenden Schritten in der Stube hin und her. Da fragte Arndt:
    „Was Sie da erzählen, das ist wirklich wahr?“
    Da blieb der Alte vor ihm stehen, hielt ihm die Faust unter die Nase und brüllte:
    „Herr, denken Sie, daß ich mit dem Unglück meiner Mitmenschen Hallo und Allotria treibe! So kommen Sie mir ja nicht, sonst bin ich imstande und werfe Sie zur Tür hinaus! Das merken Sie sich, Sie Vetter Arndt, Sie!“
    Arndt nickte ihm wohlwollend zu und sagte:
    „So krumm war es ja gar nicht gemeint!“
    „Na, das will ich mir auch ausgebeten haben!“
    „Sind diese Beyers brave Leute?“
    „Brave Leute? Was das nun wieder für eine Frage ist! Würde ich denn so ins Pulverfaß geraten, wenn es nicht brave Leute wären?“
    „Sind noch weitere Kinder da?“
    „Natürlich! Vier Stück, vier arme, bleiche, abgehärmte, ausgehungerte Würmer, welche sich nicht getraut haben, laut zu reden! Die ganze Familie hat seit Montag von drei Pfund Sauerkraut gelebt. Herrgott von Mannheim, ich möchte der ganzen Welt den Kopf abhacken! Und wissen Sie, was man mit den Kindern gemacht hat? Ins Armenhaus hat man sie geschleppt, wo sie nichts lernen als die Bettelei! Sie müssen nämlich wissen, daß es dort mit Arbeit und Verpflegung noch ärger liegt als bei den Hottentotten! Ein Bund Stroh haben sie, worauf sie schlafen! Essen und Trinken sollen sie auch erhalten, ja, auf dem Papier steht es; aber wer da nicht verhungern will, der muß hinaus auf die Dörfer und bei den Bauern fechten gehen.“
    „Schrecklich!“
    „Finden Sie es schrecklich? Nicht wahr? Da ist zum Beispiel eine alte Frau, Löffler ist ihr Name. Die hat sich stets ehrlich und redlich durch die Welt geschlagen, hat Gott geehrt und ihre Arbeit getan und bei den Seidelmanns lange Zeit die Aufwartung gehabt. Da auf einmal explodiert die Lampe; das brennende Petroleum stürzt ihr ins Gesicht und verbrennt ihr alles, auch die Augen. Sie ist blind, kann nichts mehr sehen, nichts mehr machen und verdienen. Seidelmanns jagen sie fort; sie muß in das Armenhaus, und nun ist sie über achtzig Jahre alt und tastet sich von einer Türe zur anderen, um nach dem lieben Brot zu gehen. Denken Sie, in solchem Wetter, wie gerade jetzt! Eines schönen Morgens wird man sie aus dem Schnee ziehen, tot, erfroren, und kein Hund wird nach ihr bellen! Herr Vetter, na, wohin denn so plötzlich?“
    „Fort!“
    Arndt war aufgesprungen und ging in sein Zimmer. Dort nahm er einige Gegenstände aus dem Koffer, steckte sie zu sich und verließ das Haus. Er ging eiligen Schritts nach dem Städtchen, aber nicht die Straße entlang, sondern durch den Wald.
    Er hatte die Tracht der dortigen Gegend angelegt. An einer einsamen Stelle des Waldes angekommen, blieb er stehen und blickte sich vorsichtig um. Als er sich überzeugt hatte, daß er nicht beobachtet wurde, zog er die Jacke aus und wandte sie um, ebenso

Weitere Kostenlose Bücher