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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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anzutreffen.
    Darüber war der Vormittag vergangen. Nach dem Mittagessen machte der Alte sich abermals auf den Weg. Arndt hatte sich in sein Stübchen zurückgezogen und saß, mit der Lektüre eines Buchs beschäftigt, am Fenster, von wo aus er den Förster zurückkehren sah. Er begab sich sofort hinab in die Wohnstube.
    Der Alte war sehr aufgeregt, das sah man ihm sofort an. Er warf die Pelzmütze zornig auf den Tisch, warf sich in einen Stuhl und stieß einen kurzen, schrillen Pfiff aus. Frau Barbara wußte, daß dies ein sicheres Zeichen sei, daß er etwas Ärgerliches erlebt oder erfahren habe.
    „Na, Alterchen“, sagte sie. „Was ist dir denn so in die Quere gekommen?“
    „Viel, sehr viel!“ antwortete er. „Man glaubt gar nicht, was alles passieren kann! Zuerst muß ich euch sagen, daß um fünf Uhr Kirche ist, Gottesdienst, und zwar in der Kneipe!“
    „In der Kneipe?“
    „Ja, im Saal der Schenke.“
    „Gottesdienst? Das ist doch gar nicht möglich!“
    „Gottesdienst oder Missionspredigt oder dergleichen, gehalten von dem früheren Schuster Seidelmann.“
    „Da gehe ich hin! Den muß ich hören!“ sagte Arndt.
    „Wünsche guten Appetit und viel Vergnügen! Ich bin nicht neugierig oder fromm oder gottlos genug, solche Sachen mitzumachen. Ich rede mit meinem Herrgott überall; aber wenn ich in der Kneipe sitze, da lasse ich ihn in Ruhe!“
    „Und sodann? Was hat es ferner noch gegeben?“ fragte Frau Barbara.
    „Ein Unglück, ein fürchterliches, entsetzliches Unglück!“
    „Herrgott, was denn und wo denn?“
    „Mit dem kleinen Beyer.“
    „Dem Schreiber der Seidelmanns?“
    „Ja. Das Herz könnte sich einem im Leib umdrehen! Du weißt doch, wie lange seine Frau bettlägerig ist?“
    „Freilich wohl! Die Ärmste soll wenig Hoffnung haben, jemals wieder aufzukommen!“
    „Ja, damit ist's vorüber. Denkt euch, der Beyer ist arretiert!“
    Frau Barbara faltete vor Schreck die Hände und rief:
    „Weshalb denn?“
    „Wegen Hehlerei und Widerstand gegen die Staatsgewalt.“
    „Der? Ein Hehler? Das ist im ganzen Leben nicht wahr! Und Widerstand gegen die Staatsgewalt? Der hat noch keinem Kind ein Leid getan. Alles will ich glauben, nur das nicht! Was soll er denn gehehlt oder verhehlt haben?“
    „Einen Diebstahl, den seine Tochter ausgeführt hat!“
    „Die Gustel, der arme Wurm? Die soll eine Diebin sein? Nun geht aber gleich die Welt unter! Ich glaube nicht daran, nie und nimmer nicht! Wie ist denn das gekommen?“
    „Na, wie soll es denn gekommen sein? Wie alles in der Welt: Nicht von ungefähr. Wer weiß, wer auch da dahintersteckt und die schmutzigen Hände im Spiel hat. Also plötzlich heißt es im Ort: Der Gendarm ist beim Schreiber Beyer. Natürlich rennt alles hin, um Maulaffen feilzuhalten!“
    „So ist's, Alter! Wenn einem ein Malheur passiert, da kommen sie in hellen Haufen gerannt, um sich darüber zu freuen. Geht es einem aber wohl, so bleiben sie davon und krächzen vor Mißgunst und Neid. Also wie weiter?“
    „Nach einiger Zeit kommt der Gendarm aus dem Haus und geht zum Bürgermeister. Dort sitzt der Fritz Seidelmann, geht aber bald wieder fort.“
    „Ah, der? Weil nur der dabei ist!“
    „Wieder nach einiger Zeit kommt der Schreiber mit der Gustel. Diese beiden gehen auch zum Bürgermeister. Das Volk zieht natürlich hinterher, gerade wie die Ameisen hinter der Blattlaus. Was haben die Beyers mit dem Gendarm und beim Bürgermeister zu tun? So fragt sich alles. So fragt sich auch die gute Madame Heinefeld, welche neben Bürgermeisters wohnt und zehn Teufel und zwanzig Kalender im Leib hat. Sie macht sich also ein Behelfchen und sucht die Frau Bürgermeister auf. Von der erfährt sie, daß die Gustel gestohlen hat und daß ihr Vater der Hehler sei.“
    „Was soll sie denn gestohlen haben?“
    „Der eine sagt dies und der andere das; ich glaube gar nichts. Also, die beiden neugierigen Weiber horchen. Sie hören die Gustel weinen und ihren Vater räsonieren. Er will sich nicht gefangen geben. Beide sollen nach der Amtsstadt transportiert werden, und das will der Beyer sich nicht gefallen lassen. Er beteuert seine Unschuld; er sagt, daß seine Tochter keine Diebin sei; er ruft, daß er seine Frau nicht verlassen dürfe. Der Bürgermeister will Gewalt anwenden, und da, nun ist der Teufel los! Ich glaube, der kleine Mann hat in seiner Wut sich gar gewehrt. Da haben sie ihn überwältigt und ihm die Hände gefesselt.“
    „Du mein lieber Gott! Was soll nun daraus

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