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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Mütze. Die vorher dunkle Jacke war jetzt grau, die Pelzmütze war ein Plüschdeckel geworden. Nun zog er eine Perücke aus der Tasche und einen falschen Vollbart. Als er beides angelegt hatte, war er hellblond geworden. Er hatte seine Züge so in der Gewalt, daß sie jetzt ganz andere zu sein schienen als vorher.
    Jetzt nun setzte er seinen Weg fort, gelangte in den Ort und fragte nach dem Pfarrhaus. Er folgte der erhaltenen Weisung und klopfte an. Als er auf das laute ‚Herein‘ des Pfarrers eintrat, fand er in demselben einen alten, ehrwürdig aussehenden Mann mit mild blickenden Augen und einem Johannesgesicht.
    „Was wünschen Sie?“ fragte der Geistliche, indem er das Blatt beiseite legte, in welchem er gelesen hatte. Er hatte am Vor- und Nachmittag zu predigen gehabt und noch nicht in die Zeitung blicken können. Jetzt nun war er eben beschäftigt gewesen, den Artikel zu lesen, welchen heute früh der heilige Schuster seinem Neffen vorgelesen hatte.
    „Ich komme, um eine recht herzliche Bitte auszusprechen, Ehrwürden“, antwortete Arndt.
    „Sprechen Sie! Wer da bittet, der empfängt. Ich habe Sie noch nie gesehen. Sie scheinen nicht von hier zu sein?“
    „Ich bin allerdings hier fremd, Herr Pfarrer. Heute kam ich hier an und hörte von einem großen Unglück, welches eine brave Familie getroffen hat.“
    „Sie meinen den guten Beyer? Ja, das ist ein Herzeleid, eine Heimsuchung, welche trauriger ist als traurig.“
    „Halten Sie die Angeklagten für schuldig?“
    „Gott allein sieht in das Verborgene, mir aber sagt mein Herz und meine Erfahrung, daß diesen Leuten Unrecht geschieht. Haben Sie Grund, Anteil an ihnen zu nehmen?“
    „Ja, einen sehr guten Grund.“
    „So sind Sie wohl verwandt mit Ihnen?“
    „Sehr nahe sogar, ehrwürdiger Herr. Ich möchte etwas für diese beklagenswerten Leute tun.“
    „Gott segne Sie! Sie kommen da gerade recht, wie der Fürst des Elends, von dem ich soeben gelesen habe. Kan ich Ihnen zu Hilfe sein?“
    „Sehr, sehr! Zunächst glaube ich, daß es Ihrer Fürbitte gelingen werde, wenigstens dem Vater gegen Handgelöbnis zur Freiheit zu helfen.“
    „Das hatte ich mir bereits vorgenommen.“
    „So höre ich, daß Sie ein treuer Hirte und kein Mietling sind. Sollte eine Kaution gefordert werden, so bin ich bereit, sie zu zahlen. Was nun die Kinder betrifft, so höre ich, daß sie sich im Armenhaus befinden?“
    „Leider! Wer will oder vielmehr wer kann sich ihrer unentgeltlich annehmen? Die Leute hier sind alle arm, nur einige wenige ausgenommen.“
    „Vielleicht gibt es eine brave Familie, welche den Kleinen gegen ein Pflegegeld Aufnahme bietet.“
    „Wer sollte das Pflegegeld bezahlen?“
    „Ich, Ehrwürden! Der Weber Hauser ist Ihnen doch wohl bekannt; ich möchte sie am liebsten ihm anvertrauen!“
    „Hauser ist ein frommer und ehrlicher Christ; er ist sehr arm und hat selbst Kinder; aber für die Verwaisten wäre keiner besser als er.“
    „Nun, dann bitte ich, Herr Pfarrer, diese Kleinigkeit in Empfang zu nehmen! Hier fünfzig Gulden zur Beerdigung der Toten, und hier hundert Gulden, von denen Sie nach Bedürfnis an Hauser zahlen. Zuletzt nehmen Sie hier das Päckchen, es enthält tausend Gulden; diese Summe soll zur Aufbesserung Ihrer Armenhausverhältnisse verwendet werden.“
    Der Pfarrer stand vor Erstaunen starr und steif.
    „Herr“, sagte er endlich, „sind Sie denn reich genug, solche Summen verschenken zu können?“
    „Ich besitze Millionen!“ lächelte Arndt.
    „Aber, verzeihen Sie, Ihr Äußeres ist nicht dasjenige eines Millionärs!“
    „Das ist sehr wahrscheinlich. Doch, darf ich hoffen, daß meine Bitten in Erfüllung gehen?“
    „Gewiß, gewiß! Ich werde augenblicklich die Kinder holen, um sie zum Hauser zu bringen. Er hat zwar selbst nicht viel Platz, aber sein Charakter und seine Zuverlässigkeit wiegen diesen Mangel mehr als auf. Doch, werter Herr, wenn ich nun gefragt werde, wem wir diese Gaben und Wohltaten zu verdanken haben, wie soll ich dann antworten?“
    „Nennen Sie meinen Namen!“
    „So bitte, wie heißen Sie?“
    „Der Fürst des Elends! Guten Abend, Hochwürden!“
    Im nächsten Augenblick war er zur Tür hinaus. Der Pfarrer stand da, als hätte ihn der Schlag gerührt. Er wußte gar nicht, was er denken oder tun solle. Da ging die Tür auf, und eine Dame trat ein. Es war seine Schwester, welche bei ihm wohnte. Sie sah die Miene, welche er machte, und fragte ganz betreten:
    „Um Gottes willen, was ist

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