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617 Grad Celsius

Titel: 617 Grad Celsius Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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warten.
    Es dauerte zwei Minuten, bis Anna den Abgeordneten mit federnden Schritten die große Treppe herunterkommen sah. Die Glastür glitt zur Seite und Winkler nahm Anna in den Arm.
    »Wollen wir draußen reden, Anna? Ein Spaziergang wäre jetzt ganz gut.«
    Er hakte sich bei ihr ein und behauptete, es gehe ihm heute besser denn je. Sie umrundeten das Gebäude und gelangten auf den Weg, der den Rhein entlangführte. Anna war sich unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Sie schlenderten ans Ende der Landzunge, die sich zwischen dem Fluss und dem Zollhafen erstreckte. Vor dem Pavillon der Wasserschutzpolizei ließen sie sich auf einer Bank nieder.
    Anna beobachtete mehrere Radfahrer, die sich vor der Fußgängerbrücke über die Hafenzufahrt stauten, und überlegte, welche Worte sie wählen sollte.
    Winkler kam ihr zuvor: »Thilo Becker aus deinem Kommissariat hat mich übrigens für heute Nachmittag ins Präsidium bestellt. Kannst du mir verraten, was das zu bedeuten hat?«
    »Wo bist du am Dienstagmorgen um kurz vor acht gewesen?«
    »Auf der Autobahn. Um halb neun war ich hier im Büro, ich weiß es noch genau. Sven hat mich etwa um Viertel vor acht in Holzbüttgen mit einem Mietwagen abgeholt, denn du hattest meinen BMW.«
    »Das ist gut.«
    Er lächelte. »Nein, das war nicht gut. Aber die Autofrage haben wir inzwischen ja geklärt.«
    »Ich meine, es ist gut, dass du ein Alibi hast.«
    »Wozu brauche ich eins?«
    »Am Dienstagmorgen brach der Schützenstraßen-Mörder in Uhligs Studio in Flingern ein und fackelte das Videoarchiv des Kunstprofessors und sämtliche Gerätschaften ab.«
    »Glaubt Becker, ich sei das gewesen?«
    »Zumindest tut er so. Aber diese Information hast du nicht von mir, verstehst du? Becker hält mich nämlich für deine Komplizin.«
    »Wobei?«
    »Es geht um den Mord an Uhlig, um den Anschlag auf das Haus in der Schützenstraße in der Nacht zum Montag und den Anschlag in Flingern am Dienstagmorgen.«
    »Mein Gott, ich dachte, Michael sei das gewesen!«
    »Er war es auch. Michael hat es mir gestanden, aber Becker nimmt an, ich hätte das alles nur erfunden, um dich zu schützen.«
    »In der Nacht zum Montag war ich noch in der Reha-Klinik.«
    »Becker wird behaupten, du hättest dich heimlich davongeschlichen.«
    »Wie kommt er darauf?«
    »Wer außer dir und mir weiß, dass du vor zwei Jahren Odenthal befragt hast?«
    »Michael, denn der war schließlich dabei. Und dein Kollege, dieser ehemalige Halbschwergewichtler, der froh war, dass er eine Pause einlegen konnte.«
    »Sonst niemand?«
    »Ich habe nie jemandem davon erzählt.«
    Dunkle Schauerwolken ballten sich auf der gegenüberliegenden Rheinseite zusammen. Über Neuss schien es bereits zu regnen, hier strahlte noch die Sonne.
    Anna sagte: »Gestern habe ich wieder in Mutters Tagebüchern geblättert.«
    »Nächster Anklagepunkt: eheliche Untreue. Ja, Euer Ehren, ich war Jo in der Anfangszeit nicht immer treu. Willst du mir das nach fast dreißig Jahren noch vorwerfen?«
    »Mama schlief mit Michael. Aus Rache. Und du wusstest es oder hattest zumindest eine Ahnung. Du hast einen Vaterschaftstest machen lassen.«
    Bernd Winkler starrte auf ein Frachtschiff, das schwer beladen vorbeituckerte. Er fragte fast tonlos: »Das hat sie alles aufgeschrieben?«
    »Anfang der Neunziger hat Michael deinen Job als Geldbote übernommen. Das ist noch etwas, was ich nicht wusste.«
    »Uwe war damals nicht gut auf mich zu sprechen. Ich glaube, er gab mir die Schuld daran, was mit Jo los war. Erst später hat sich das ein wenig entspannt. Als Uhlig ihn 1996 zu erpressen begann, brauchte er mich, weil Lohse zu der Zeit auf Lehrgang war.«
    »Michael hatte also bis zuletzt einen guten Draht zu Onkel Uwe?«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Uwe wusste, was du 1976 und 1996 getan hattest. Und von Michael könnte er gewusst haben, wie Odenthals Geständnis zu Stande gekommen ist. Es läuft ganz offensichtlich ein abgekartetes Spiel gegen uns beide und ich bin mir sicher, dass es von dort drüben aus gesteuert wird.«
    Anna wies mit dem Daumen über ihre Schulter, wo sich auf halbem Weg zum Präsidium das gläserne Stadttor mit den Büros der Staatskanzlei erhob. Ausgestattet mit einem Fernglas könnte Uwe Strom sie jetzt hier sitzen sehen, schätzte Anna.
    Sie fügte hinzu: »Ich weiß übrigens auch über die PCC und deine Geschäfte mit der Deutschen Bergbau AG Bescheid.«
    »Hast du Sven zum Plaudern gebracht? Ich fürchte, der Junge ist schwer in dich

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