617 Grad Celsius
berichten. Uhlig war mit Daniel Lohse beim Blitz . Ich hab mit dem Chefredakteur geredet und gestern Abend auch mit Uwe Strom persönlich.«
»Erzähl!«
»Wo können wir uns treffen?«
Bruno schlug ein Lokal an der Lorettostraße vor, unweit des Präsidiums. Die Wirtin würde ihnen das Hinterzimmer aufschließen, in dem sie ungestört wären.
Mit dem Kollegen aus Bayern sind wir zu dritt, dachte Anna. Drei Musketiere gegen den Kardinal Richelieu und seine Schergen.
Nein, korrigierte sie sich. Es war keine Mantel-und-Degen-Geschichte, sondern blutige Wirklichkeit.
58.
Der Aufzug öffnete sich im vierten Stock. Ritter schloss die Tür auf, knipste sämtliche Lichter an und überreichte Anna die Schlüssel.
»Voila!«
Sie folgte dem Kollegen ins Wohnzimmer. Ihre Gedanken waren noch bei dem Treffen mit Bruno und dem Kollegen aus Bayern.
Ritter wies sie auf den offenen Kamin hin. Bodentiefe Fenster, das Parkett war verschrammt, aber man konnte es nachschleifen.
Er sagte: »Wie gesagt, dein Daddy hat schon alles klargemacht. Nicht schlecht, wenn man so einen zum Vater hat. Du kannst jederzeit einziehen.«
Sie blickte in den begrünten Innenhof. Draußen verdüsterte sich der Himmel wieder, Aprilwetter im Mai. Am Mittag hatte sich noch einmal kurz die Sonne gezeigt und durch die Fenster geblinzelt. Die Dreierrunde im Hinterzimmer in der Lorettostraße: Nur Schmiedinger wollte noch an der Serienkiller-These festhalten. Politik war für ihn anscheinend ein Tabubereich, in dem man besser nicht nachbohrte.
Bruno dagegen hatte sich von Anna überzeugen lassen. Daniels Mörder saß im Stadttor und hieß Rüdiger Fricke – ein Karrierist, der seinem Boss offenbar jeden Wunsch erfüllte. Und der Ministerpräsident zog die Strippen im Hintergrund.
Ritter riss Anna aus ihren Gedanken. »Gäste-WC, komplett anthrazitfarben gefliest, genauso wie das Bad.« Er stieß eine weitere Tür auf und drückte den Lichtschalter.
Eine Wendeltreppe führte unter das Dach. Dort gab es ein drittes Zimmer und den Zugang zur Terrasse. Draußen ein Lattenrost, ein paar Pflanzen in Blumenkästen, leider vertrocknet.
Anna musste daran denken, woher Bernd Winklers Vermögen stammte. Scheingeschäfte seiner Firma PCC, vermutlich auch noch an der Steuer vorbei. Der Landtagsabgeordnete mimte den Retter des Ruhrgebiets und hielt heimlich die Hand auf. Für seine Kumpels von der Kohlefraktion und vor allem für sich.
In diesen vier Wänden steckte schmutziges Geld.
Ritter sagte: »Mir ist eingefallen, wo wir uns zuletzt getroffen haben. Der Mord an Daniel Lohse. Stimmt es, dass der Täter doch noch nicht gefasst ist?«
»Ja, aber wir sind kurz davor.«
Anna stieg wieder hinunter, Ritter im Schlepptau. Der Kollege redete weiter: »Du solltest deinem Daddy vorschlagen, dass er auch im Schafzimmer Parkett legen lässt.«
Ihre Hand spielte mit dem Ring, an dem drei Schlüssel hingen. Haustür, Wohnung, Bretterverschlag im Keller. Schlecht war die Wohnung wirklich nicht. Und das Viertel, in dem sie lag, gefiel ihr.
Zuletzt präsentierte Ritter die Küche. Einbauten und Geräte waren vom Feinsten.
»Kochst du gern?«, fragte er.
»Heutzutage tun das die Männer«, antwortete sie.
Ritter lachte und öffnete den Kühlschrank. Er zog eine Sektflasche hervor und nestelte am Verschluss. Anna hatte so etwas befürchtet.
»Trinken wir auf deinen Daddy«, sagte er.
Sie entwendete ihm die Flasche. »Spar dir das für deine nächste Kundin.«
Auf deinen Daddy. Fragt sich nur, auf welchen, dachte Anna. Ihr wurde flau im Magen, als sie die Zufahrt zum Gelände der Uniklinik erreichte.
Sie winkte dem Pförtner zu, die Schranke klappte hoch.
Anna gab Gas und steuerte die Baracke am Ende des löchrigen Asphaltwegs an. Wie alle Kollegen des KK 11 und der Kriminalwache besaß sie einen Schlüssel.
Sie schloss das Tor auf. Im Vorraum flackerte das Neonlicht. Anna zog die Tür zur Kühlkammer auf und schob sich durch den Plastikvorhang.
Als hinter ihr die Tür zufiel, musste sie an den Abend des Silverhammer -Konzerts denken, als sie sich eingeschlossen hatte. Obwohl sie wusste, dass die Kammer hier mühelos von innen geöffnet werden konnte, musste sie den Griff drücken und es ausprobieren. Sie schalt sich eine Neurotikerin. Ihre Beklemmung wich nicht.
Der Raum war voller Leichen, die nackt auf Rollbahren lagen oder auf Tragen, die in eine Art Regal geschoben waren. Etwa die Hälfte davon sah der Obduktion entgegen, die anderen hatten es hinter
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