617 Grad Celsius
für zwei Portionen. In den nächsten Tagen würde sie noch einmal schlemmen. Dazu plante sie Ratatouille – so perfekt wie Bernd Winkler würde sie es vermutlich nicht hinbekommen.
Während sie das Gemüse schnitt, verlas der Typ in der ARD die erste Hochrechnung. Die bisherige Regierung schien tatsächlich vor der Ablösung zu stehen. Die Gewinne der Grünen machten die Verluste der SPD nicht wett. Anna tränten die Augen. Zwiebelwasser war ihr ins Gesicht gespritzt.
Das Telefon klingelte.
Im Fernsehen ließ sich der Spitzenkandidat der CDU derweil bereits von seinen Anhängern feiern. Ein stocksteifer Typ mit grell gemusterter Krawatte, der nun ihren Onkel ablösen würde – ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke. Seine Partei habe die Weichen für den Sieg bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr gestellt, prahlte er und Anna fand, dass seine Visage an den Krankenhausarzt erinnerte, der ihr den Befund der Computertomografie mitgeteilt hatte.
Das Telefon gab keine Ruhe. Sie ging ran.
»Winkler.«
»Hallo, schöne Kommissarin! Ich wollte fragen, ob Sie nicht endlich mit mir ausgehen wollen.«
Es war Alex Vogel, der Chef des Blitz. Im Hintergrund hörte Anna Gläser klingen und Leute johlen. Partystimmung in Redaktionsräumen. Der Scoop war gelungen. Die Zeitungsmacher bildeten sich wahrscheinlich ein, sie hätten Geschichte geschrieben.
Anna fragte: »Haben Sie erreicht, was Sie wollten?«
»Das war erst der Anfang. Wir strecken das Material auf mindestens eine Woche. So lange wird es dauern, bis die Staatsanwaltschaft auf unserem Kenntnisstand ist und auch andere Medien Zugang zu den brisanten Informationen erhalten. Bis dahin gibt der Blitz den Takt im politischen Leben unserer Republik vor.«
»Die CDU lacht sich ins Fäustchen.«
»Tut es Ihnen leid, dass Ihr Onkel sein Amt verliert?«
»Nein.«
Anna fragte sich, wie ihre Mutter die Affäre aufnehmen würde. Jo war aus Anlass der Beerdigung nach Düsseldorf gekommen und hatte bei ihr übernachtet. Sie hatten es fertig gebracht, nicht zu streiten. Allerdings hatten sie das Thema Uwe vermieden.
»Sie haben vollkommen richtig gehandelt, Frau Winkler. Wir müssen den Politikern ständig auf die Finger klopfen. Nur darauf kommt es an. Welche Nase regiert, ist egal, solange sie tut, was die Leute wollen.«
»Sie meinen, was der Blitz den Menschen einflüstert.«
»Warum so bitter, schöne Kommissarin? Sie haben jetzt etwas gut bei mir und meiner Zeitung. Wann immer ich Ihnen helfen kann, lassen Sie es mich wissen.«
Anna musste lachen. Ein Deal – so hatte sie wirklich nicht kalkuliert.
Bernd Winkler hätte das vermutlich getan. Uwe Strom ebenfalls. Darin hatte ihr Job bestanden: Eine schmutzige Hand wäscht die andere.
Politik – da steigst du nicht durch.
Anna zappte zum ZDF. Der Ministerpräsident hatte einen Sprecher vorgeschickt, der die Meldungen über die Parteispendenaffäre als Propagandalügen der Opposition und ihr nahe stehender Medien bezeichnete. Im Dritten Programm verlas ein Sprecher das vorläufige amtliche Endergebnis des Wahlkreises Bielefeld zwei. Anna schaltete die Glotze ab.
Wieder klingelte das Handy.
Es war Jonas Freyer.
»Ich möchte dir mein Beileid ausdrücken.«
»Danke.«
»Meine Mutter ist vor drei Jahren gestorben. Ich kann nachvollziehen, wie es dir geht.«
Anna zog die Pfanne von der Platte. Das Fleisch wäre beinahe angebrannt.
Jonas sagte: »Wenn du möchtest, komme ich vorbei und leiste dir ein wenig Gesellschaft.«
»Ein andermal, Jonas. Ich brauche noch etwas Zeit.«
»Wie du meinst.«
»Trotzdem lieb von dir, dass du dich meldest.«
»Und du rufst mich wirklich zurück, sobald dir danach ist?«
»Das werde ich tun. Versprochen.«
Anna legte auf, zupfte die schmalen Blätter vom Rosmarinzweig und gab sie gemeinsam mit den Knoblauchscheiben zum Fleisch, das nun bei niedriger Temperatur weiterschmorte. Der Duft erfüllte die Küche. Sie schnitt das Baguette, das sie aufgebacken hatte.
Lichtblicke: Sie hatte Jo und es gab Jonas.
Gleich würde sie Kerzen anzünden und eine nette CD auflegen.
Und morgen würde sie wieder ihre Arbeit im KK 11 aufnehmen. Neue Tötungsdelikte und Gewaltverbrechen. Fast freute sie sich auf den nächsten Fall.
Yesterday’s gone.
Sie wollte nur noch an die Zukunft denken.
Danksagung
Ganz im Alleingang wäre dieser Roman nicht möglich gewesen.
Ich bedanke mich bei Guido Schweers, Phönix Consult, für seine großzügige Hilfestellung in sämtlichen Fragen der
Weitere Kostenlose Bücher