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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewohnt hat, nachdem sie von mir fortgegangen ist. Er meint, daß er mich, falls sie von mir zu dir gezogen sei, dahin bringen werde, wo er jetzt gewesen sei, nämlich in das Zuchthaus.“
    „Impertinenter Kerl.“
    „Oh, nicht nur impertinent, sondern sehr unbequem, ja sogar vielleicht gefährlich für uns beide.“
    „Denkst du, daß er zu mir kommen wird?“
    „Ganz bestimmt.“
    „Und ich soll ihn empfangen?“
    „Was sonst?“
    „Hm! Ich bin nicht daheim, sondern verreist!“
    „Das kann uns nichts nützen, sondern nur schaden. Wir müssen wissen, was er zu tun beabsichtigt. Und das erfahren wir doch nur dann, wenn du mit ihm redest. Es muß freilich schlau angefangen werden.“
    „Gut, so werde ich ihn empfangen. Lieb wäre es mir, wenn du dabeisein könntest.“
    „Warum?“
    „Weil wir dann sofort einen Entschluß treffen könnten. Vielleicht ist sofortiges Handeln notwendig.“
    „Du kannst recht haben. Aber ich möchte ihm doch nicht merken lassen, daß ich bei dir bin.“
    „Das ist auch nicht nötig. Du gehst hier in das Nebenzimmer. Wir lassen die Tür ein wenig offen. Da kannst du alles hören, was hier gesprochen wird.“
    „Gut, so wollen wir es machen. Aber merke dir, daß ich möglichst aus dem Spiel gelassen werden muß.“
    „Das versteht sich ganz von selbst, lieber August. So langjährige und treue Verbündete, wie wir es sind, müssen die größtmögliche Rücksicht aufeinander nehmen.“
    Also erwarteten die zwei in verhältnismäßiger Gemütsruhe die Ankunft Petermanns.
    Dieser hatte sich von Seidelmann direkt nach dem Polizeigebäude begeben und sich im Nachweisbüro nach seiner Tochter erkundigt.
    „Valesca Petermann?“ meinte der Beamte, indem er im Buch nachschlug. „Angemeldet zu Herrn Vorsteher August Seidelmann. Abgemeldet zu Frau Rentiere Groh in der Ufergasse –“
    „Also doch!“ entfuhr es Petermann.
    „Und von da wieder abgemeldet nach Rollenburg.“
    „Nach Rollenburg? Sie ist also nicht mehr hier?“
    „Nein.“
    „Wo befindet sie sich dort?“
    „Das wissen wir hier natürlich nicht. Es genügt, wenn der sich Abmeldende den Ort angibt, an welchen er verzieht. Sie erfahren die Adresse wohl bei dieser Madame Groh, bei welcher sie in Dienst gestanden hat. Wenn nicht, so erteilt Ihnen die Polizei in Rollenburg ganz sicher Auskunft.“
    Petermann ging. Sein Herz war ihm zum Brechen schwer. Also war sein Kind doch bei dieser berüchtigten Groh gewesen! Zu dieser begab er sich jetzt.
    Das Dienstmädchen öffnete, als er klingelte, und fragte nach seinem Begehr. Er sagte, daß er mit ihrer Herrin zu sprechen habe, und nannte seinen Namen, worauf er angemeldet und vorgelassen wurde.
    Die Dame stand in hochmütiger Haltung inmitten ihres Zimmers. Er verbeugte sich leicht und sagte einige Worte, um sein Kommen zu entschuldigen. Sie fiel ihm in die Rede:
    „Ich kenne Sie nicht. Was wollen Sie?“
    „Mich kennen Sie freilich nicht, Madame, aber meine Tochter haben Sie gekannt.“
    „Ihre Tochter? Wieso?“
    „Sie hat bei Ihnen in Kondition gestanden.“
    „Bei mir? Ah, Sie heißen Petermann! Ja, eine Petermann war bei mir im Dienst.“
    „Vorher bei einem gewissen Seidelmann?“
    „Möglich.“
    „Sollten Sie diesen Herrn nicht kennen?“
    „Ich kenne ihn. Ich pflege mir aber nicht jeden Ort zu merken, an welchem meine Dienstboten vorher gewesen sind.“
    „Ich glaubte, Herr Seidelmann habe sie Ihnen empfohlen.“
    „Nein, das ist keineswegs der Fall.“
    „Wie aber kam sie denn gerade zu Ihnen?“
    „Ich hatte annonciert, und sie wird die Annonce gelesen haben. Man behält solche Einzelheiten nicht im Gedächtnis.“
    „Sie ist also freiwillig zu Ihnen gekommen?“
    „Ja. Wie denn sonst? Glauben Sie denn, daß man sich das Gesinde erpressen kann, so wie zum Beispiel in England die Matrosen gepreßt werden?“
    „Es soll das allerdings zuweilen vorkommen. Meine Tochter ist nicht mehr bei Ihnen?“
    „Nein. Sie blieb überhaupt nur kurze Zeit bei mir.“
    „Wie lange?“
    „Das kann ich nicht sagen. Man merkt es sich nicht.“
    „Sie scheinen sich das, was meine Tochter betrifft, sehr gern aus dem Gedächtnisse geschlagen zu haben.“
    „Wie meinen Sie diese Worte? Was wollen Sie damit sagen? Ich verstehe Sie nicht!“
    „Oh, ich will Sie gar nicht unnötig belästigen. Können Sie mir vielleicht sagen, wo sie jetzt ist?“
    „Nein.“
    „Sie muß Ihnen aber doch gesagt haben, wohin sie sich von Ihnen aus wendete!“
    „Muß sie? Wirklich?

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