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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Geliebten!“
    Mariens totes Auge belebte sich.
    „Wilhelm!“ stieß sie leise hervor.
    „Willst du ihn sehen?“
    Da stand die Arme langsam vom Stuhl auf. Ihr Mund öffnete sich; ihre Augen wurden größer, und ihre Züge gewannen Bewegung.
    „Und deinen Bruder Robert?“ fuhr Magda fort.
    „Robert!“
    Ein Strahl der Freude flog über ihr Gesicht.
    „Ja. Beide sind da.“
    „Hin zu ihnen.“
    „Nein, jetzt nicht. Du bist in Gefahr, und sie sind in Gefahr. Sie werden dich holen lassen, aber du mußt so tun, als ob du sie nicht kennst.“
    „Gefahr!“ flüsterte Marie.
    Auf ihrem Gesicht machte sich der Ausdruck des Erschreckens bemerkbar, ein sehr gutes Zeichen.
    „Ja. Du darfst sie nicht verraten.“
    „Ich werde schweigen.“
    „So warte, bis du geholt wirst.“
    Magda ging. Als sie sich entfernt hatte, hätte ein Psychologe bei Marie zugegen sein sollen. Sie schritt im Zimmer hin und her, und es war wunderbar, wie man den Geist förmlich in ihre Züge zurückkehren sehen konnte. Sie machte, bis sie geholt wurde, eine Wandlung durch, die wohl niemand hatte für möglich halten können.
    „Was hat sie gesagt? Hat sie verstanden?“ fragte Robert die zurückkehrende Magda.
    „Sehr gut.“
    „Und wird sie vorsichtig sein?“
    „Ich hoffe es.“
    „Und war jemand draußen auf dem Korridor?“
    Magda erzählte ihm, was sie mit dem Mädchen gesprochen hatte. Freilich wurde es ihr schwer, ihm gewisse Antworten, welche sie gegeben hatte, zu wiederholen.
    „Das haben Sie gut, sehr gut gemacht!“ sagte er. „Nun müssen wir sie weiter täuschen. Bitte, halten Sie sich recht wacker. Es ist das unumgänglich notwendig.“
    Er ging zur Tür und klingelte. Dann setzte er sich wieder auf das Sofa und nahm Magda auf seinen Schoß. Sie wollte sich sträuben; er aber bat:
    „O bitte, nur die wenigen Augenblicke!“
    Man hörte Schritte kommen, und gerade als die Tür geöffnet wurde, drückte Bertram Magda an sich und gab ihr einen Kuß. Dann wendete er sich nach dem Mädchen, welches draußen stand.
    „Sagen Sie unserer Cousine, daß der andere hier auch eine Dame zu haben wünscht! Diese ist mein!“
    „Ich habe bereits Befehl erhalten“, lautete die freundliche Antwort, „und werde Ihnen eine bringen.“
    Die Tür schloß sich wieder, und da wollte sich Magda von Robert losmachen. Er aber hielt sie fest.
    „Bleiben Sie nur noch so lange, bis das Mädchen wieder hier gewesen ist!“
    Sie gehorchte und hatte es nicht zu bereuen, denn bereits nach wenigen Minuten kam die Betreffende wieder und meldete:
    „Hier ist sie. Viel Vergnügen!“
    Sie schob Marie herein und machte die Tür hinter ihr zu.
    Die Eintretende hielt die Augen gesenkt und blieb an der Tür stehen, ohne den Blick zu erheben. Robert schob Magda von sich fort, und auch Fels sprang auf. Den beiden wollte das Herz zerspringen.
    Der erstere ging auf die Schwester zu, faßte sie bei der Hand und zog sie von der Tür fort nach dem hinteren Teil des Zimmers.
    „Marie!“ flüsterte er, vor Schmerz und Freude gleich sehr bewegt.
    Da schlug sie die Augen auf und sagte leise:
    „Lauscht man noch?“
    Ihr Auge sagte, daß sie die Situation sehr wohl begriffen hatte. Anstatt einer lauten Antwort nahm er sie in die Arme, küßte sie und legte sie dann an die Brust des Freundes.
    Was nun geschah, was nun erzählt und gesprochen wurde, bedarf keiner Beschreibung. Nach einiger Zeit sagte unten die Melitta zu ihrer Wirtschafterin:
    „Ich bin neugierig, wie sich die Marie Bertram verhält.“
    „Man sollte einmal hinaufgehen.“
    „Ja, das werde ich tun.“
    Das war kurz nachdem Wally zum ersten Mal mißhandelt worden war.
    Die Besitzerin des Hauses stieg die Treppe empor, ging auf die Tür zu und machte sie ganz unerwartet, wie sie meinte, auf. Da lag Marie Bertram in Felsens und Magda Weber in Bertrams Armen.
    „Verzeihung“, sagte die Melitta, als die vier erschrocken auseinanderfuhren. „Ich kam in ein unrechtes Zimmer.“
    Als sie zugemacht hatte, ließ Bertram Magda von sich fort und sagte leise lachend:
    „Wie gut, daß die eine Stufe knarrte. Nun ist die befriedigt und wird so bald nicht wiederkommen. Also weiter in unserm Gespräch! Sie gehen mit uns, Fräulein Magda?“
    „Ich darf Ihnen nicht zur Last fallen.“
    „Das werden Sie nicht. Ich habe einen mächtigen Beschützer, welcher sich Ihrer sehr gern annehmen wird.“
    „Und hier gibt es einen Herrn, welcher mir, wenn ich ihn aufsuche, gern eine Stellung verschaffen

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