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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hat die Cousine doch wohl sagen wollen, daß Sie wenigstens mit uns anstoßen sollen.“
    „Wenn Sie befehlen, muß ich es tun.“
    „So kommen Sie! Ihr Wohl, Fräulein Magda!“
    Die Gläser klangen. Magda nippte nur ein wenig.
    An der einen Wand stand ein bequemes, langes Sofa; es war so lang, daß vier Personen darauf Platz finden konnten. Robert saß in der einen und Fels in der anderen Ecke. Der erstere sagte zu dem Mädchen:
    „Bitte, setzen Sie sich zu uns her!“
    „Lassen Sie mich lieber hier auf diesem Stuhl Platz nehmen, meine Herren!“
    „Fürchten Sie sich vor uns?“
    Sie blickte erst den einen und sodann den andern forschend an und antwortete lächelnd:
    „Nein. Ich halte Sie für gute Menschen.“
    „Sie haben recht. Darum dürfen Sie auch meine Bitte ohne Bedenken erfüllen. Ich meine es gut mit Ihnen.“
    Und leiser fügte er hinzu:
    „Setzen Sie sich ja her zu mir! Ich habe meine Gründe. Sie befinden sich in einer großen Gefahr, aus welcher wir Sie befreien werden.“
    Sie erbleichte.
    „Herrgott! Was wollen Sie sagen, Herr Melitta?“ fragte sie in ängstlichem Ton.
    „Leise, leise! Setzen Sie sich nur erst her; dann sprechen wir weiter.“
    Jetzt folgte sie seinem Wunsch, aber so, daß sie in Abstand zwischen beiden saß.
    „Bitte, vertrauen Sie mir!“ sagte er. „Ich meine es sehr gut mit Ihnen. Rücken Sie näher zu mir heran. Es muß so sein. Ich werde Sie nicht berühren; aber wenn ich merke, daß jemand eintreten will, dann werde ich Ihre Hand ergreifen, die Sie mir lassen müssen.“
    „Warum das? Sie machen mich so bange.“
    „Erschrecken Sie nicht! Sie befinden sich in einem sehr schlechten und verrufenen Haus.“
    „Wie meinen Sie das? Die Besitzerin ist ja Ihre Cousine!“
    „Nein, das ist sie nicht. Wir sind ganz und gar nicht verwandt miteinander.“
    „Welch ein Haus meinen Sie denn?“
    „Es wohnen schlechte, gesunkene Mädchen hier.“
    „O nein, es sind lauter Künstlerinnen.“
    „Ah! Sie sollen diese Damen wohl bedienen?“
    „Ja.“
    „Haben Sie das bereits getan?“
    „Ich war erst bei zweien im Zimmer.“
    „Wie waren sie gekleidet?“
    Sie errötete tief.
    „Sehr – sehr – sehr –“
    Weiter sprach sie nicht.
    „Ich verstehe!“ meinte Bertram. „Man täuscht Sie. Haben Sie eine Staffelei, Zeichnungen oder Gemälde gesehen? Farbenkästen oder Pinsel und Palette?“
    „Nein.“
    „Sehen Sie, man täuscht Sie!“
    „Sie machen mir Angst!“
    „Das tut mir leid; aber ich muß Ihnen doch die Wahrheit sagen. Dürfen wir wissen, woher Sie sind und ob Sie noch Ihre Eltern haben?“
    Sie erzählte ihnen, was sie bereits Uhland berichtet hatte, und dann sagte sie auch, wie sie aus der Residenz nach Rollenburg gekommen sei. Dabei erwähnte sie, daß man sie mit einer anderen hierhergebracht habe.
    „Ist sie noch da?“ fragte Robert.
    „Ja. Wir bewohnen ein Stübchen miteinander.“
    „Kennen Sie ihren Namen?“
    „Sie heißt Marie Bertram.“
    Fels stieß einen Ruf der Freude aus.
    „Pst!“ warnte Bertram, welcher trotz seiner Freude, die auch er empfand, nicht aus der Fassung gekommen war. „Vorsichtig! Man darf hier nicht ahnen, daß wir sie kennen! Sprich wenigstens leiser.“
    „Wie? Sie kennen sie?“ fragte Magda.
    „Ja; ich bin ihr Bruder, und hier mein Freund ist ihr Geliebter.“
    „Aber – ich erschrecke! Warum soll das niemand wissen?“
    „Weil sie sonst verloren ist. Man hat Schlimmes mit ihr vor und mit Ihnen auch.“
    „Wirklich? Ich zittere! Es ist ihr bereits in der Residenz so schlecht ergangen.“
    „Hat sie es Ihnen erzählt?“
    „Ja. Sie war geistig gestört, hat aber bald Vertrauen zu mir gewonnen.“
    „Was hat sie erzählt?“
    „Wie es ihr bei einer Madame Groh ergangen ist. Man hat sie dort mit Gewalt zu einem schlechten Mädchen machen wollen.“
    „Ist das gelungen?“ fragte er mit großer Spannung.
    „Nein.“
    „Gott sei Dank! Nun hole ich wieder Atem! Aber wissen Sie, daß sie hier aus dem Regen in die Traufe gekommen ist! Was man dort nicht erreicht hat, das soll hier durch List gelingen.“
    „Unmöglich!“
    „Pst! Leise! Man könnte draußen horchen.“
    „Reden Sie wirklich die Wahrheit?“
    „Ja. Ich schwöre es Ihnen zu, daß dieses Haus ein noch viel schlimmeres ist als dasjenige, welchem Marie entgangen zu sein vermeint.“
    „O Gott! Was soll ich tun? Dieser Mann sah so sehr ehrwürdig aus!“
    „Er war ein Schurke, ein Mädchenhändler. Hat denn der hohe Lohn, welchen er

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